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Wirtschaft - 04.02.2019

Wirtschaftskontakte, eine koptische Kirche und die Menschenrechte

Wirtschaftsminister Altmaier absolviert am Nil drei Tage lang ein straffes Programm. Deutschland setzt auf Ägypten, auch wenn es Kritik an der harten Hand des Regimes gegen Oppositionelle gibt. Von Jens Thurau, Kairo.

Überraschender Termin beim Staatspräsidenten Al-Sisi: Wirtschaftsminister Altmaier (li.)

Der politisch wichtigste Termin der Reise von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nach Ägypten dauerte länger als geplant, eigentlich ein gutes Zeichen. Das Gespräch mit dem umstrittenen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, so berichten Teilnehmer, sei offen und konstruktiv gewesen. Allein beim Thema Menschenrechte habe der Präsident empfindlich reagiert, die Terrorgefahr sei in seinem Land höher als in Europa.

Eigentlich ist dieses Treffen zwischen einem Fachminister und dem Staatsoberhaupt, so heißt es aus deutschen Regierungskreisen, protokollarisch gar nicht selbstverständlich, wurde aber als Geste der Wertschätzung gegenüber den Deutschen verstanden. Und die 34 Vertreter der deutschen Wirtschaft konnten dem Machthaber ihre Probleme beim Engagement in Ägypten schildern: die nervenzehrende Bürokratie, die Zollbestimmungen, der zeitaufwändige Behördenumgang, der längst noch nicht überall online funktioniert. Altmaier sagte nach dem Treffen: „Die ägyptische Regierung ist entschlossen, die Wachstumskräfte der Landes zu stärken und damit Ägypten auch politisch zu stabilisieren. Und das kann dazu führen, dass wir die deutsch-ägyptische Zusammenarbeit auf eine neue Grundlage stellen.“ Die Arbeitsgrundlage etwa von politischen Stiftungen, die massiv behindert worden war in den letzten Jahren, habe sich nun wieder verbessert.

Mahnt die Beachtung der Menschenrechte in Ägypten an: Wirtschaftsminister Peter Altmaier

Kein Raum mehr für Kritik

Von einer „Verschnaufpause“ für Ägypten nach kräftezehrenden Jahren nach dem arabischen Frühling 2011 sprach Altmaier vor dem Besuch bei Al-Sisi. Deutschland hat ein starkes Interesse an Stabilität im Land am Nil, das gute Beziehungen auch zu Israel unterhält und in vielen wichtigen Fragen mit dem Westen kooperiert. Und aus Ägypten kommen auch nur wenige Flüchtlinge nach Europa. „Die Arbeitslosigkeit liegt bei 10 Prozent, das ist so niedrig wie seit dem arabischen Frühling nicht mehr, die Zukunft ist positiv“, fasst Altmaier zusammen.

Aber der Wirtschaftsminister kennt auch die prekäre Menschenrechtslage in Ägypten. Vor seiner Abreise hat er sich mit Menschenrechtsgruppen in Berlin getroffen. Der Nahost-Experte von „Human Rights Watch“, Michael Page, erklärte zu Jahresanfang: „Es gibt fast keinen Raum mehr, um friedlich die Regierung zu kritisieren, ohne dafür inhaftiert und unfairerweise als Terrorist verfolgt zu werden.“ Amnesty International berichtet, allein um die vielen politischen Gefangenen unterzubringen, seien zuletzt 19 neue Gefängnisse errichtet worden. Und „Reporter ohne Grenzen“ moniert, rund die Hälfte der Medien befänden sich mittlerweile in der Hand des Staates oder des berüchtigten Geheimdienstes. Stabil ist Ägypten, aber das wird mit einem massiven und allgegenwärtigen Unterdrückungsapparat erkauft. Immer noch besser, heißt es von Seiten vieler Gesprächspartner, als wenn die Islamisten an der Macht wären.

Der Tourismus zählt für Ägypten zu den wichtigsten Einnahmequellen

Berufsausbildung in Ägypten kann auch Deutschland nützen

Außerhalb der Mega-Metropole Kairo besichtigt Altmaier dann ein Siemens-Kraftwerk und die neue koptische Kathedrale. Gerade einmal 28 Monate brauchte Siemens in Ägypten für den Bau des dritten großen Gas-und Dampfturbine-Kraftwerks vor den Toren Kairos. Und zusammen mit der Bundesregierung beteiligt sich der Konzern auch an der betrieblichen Ausbildung – noch im Frühling soll ein Trainingszentrum für über 5000 junge Ägypter seinen Betrieb aufnehmen. Das kann wichtig werden auch für Deutschland, am Ende des Jahres soll das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz den Zuzug von qualifizierten jungen Menschen erleichtern, die die deutsche Wirtschaft dringend braucht. Altmaier: „Ägypten hat eine sehr schnell wachsende Bevölkerung, jedes Jahr rund zwei Prozent, deshalb lohnt es sich auch für Deutschland, Ägypten bei der Berufsausbildung zu unterstützen.“

Massiv investiert Ägypten in den Bau von mehr als 20 neuen Städten in der Wüste und in die Infrastruktur, um der Bevölkerungsexplosion zu begegnen, was aber auch zu hohen Staatsschulden geführt hat. In einer dieser Zukunftsstädte, eine Autostunde östlich von Kairo, liegt die neue Kathedrale „Christi Geburt“. Ein weiterer Höhepunkt auf Altmaiers Rundreise.

Zeichen der Hoffnung für die Kopten: Die neue Kathedrale der Gebur Christi bei Kairo wurde gerade geweiht

15 Millionen Christen gibt es in Ägypten. Mohammed Mursi, der Ägypten zwischen 2012 und 2013 regierte, war ein Vertreter der islamistischen Muslimbrüder, und nach Angaben des deutschen Botschafters in Kairo, Julius Georg Luy, hatten die christlichen Kopten in dieser Zeit schwer unter den Islamisten zu leiden. Mursi wurde dann 2013 von dem jetzigen Machthaber Al-Sisi und dem Militär abgesetzt. Nachdem 2017 bei einem Anschlag von Islamisten über 20 Kopten in Kairo getötet wurden, befahl Al-Sisi den Neubau der großen Kathedrale, die in einer Rekordzeit von nur zwei Jahren von rund 30.000 Arbeitern errichtet wurde. Sie bietet rund 8500 Gläubigen Platz, gesäumt wird sie von zwei 200 Meter hohen Glockentürmen. „Dieser Besuch war mir wichtig, wir wollten ein Zeichen setzen“, sagt Altmaier.

Am letzten Tag seines Besuches in Ägypten, am Montag, kann sich der Hobby-Historiker und Bismarck-Experte dann einen Kindheitstraum erfüllen. Der Cousin seines Vaters, erzählt Altmaier, habe ihm ein Buch über die alten Ägypter geschenkt, das ihn sehr fasziniert habe. Und jetzt kann der CDU-Politiker zum ersten Mal die Pyramiden von Gizeh auch persönlich in Augenschein nehmen.

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