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Welt - 19.10.2018

„Wie ein Roboter“: Prostituierte packt aus – und schildert schreckliche Details

Das „Eros Center Bienenstock“ dürfte so manchem bekannt vorkommen. Doch kaum einer kennt die Geschichten hinter den Frauen. HEIDELBERG24 hat sich mit einer der Prostituierten getroffen: 

Heidelberg – Wenn ich an Bordelle denke, denke ich an abgelegene dunkle „Puffs“, süßlichen Zigarettenrauch, Rotlicht und ein immer mitschwingendes Gefühl der Illegalität. Die Frauen haben große Brüste, tragen billige Spitzen-Unterwäsche, tonnenweise Schminke und Lackstiefel. Auch der Bordellbesitzer ist in meinem Kopf ein absoluter Stereotyp: Glatze, Goldkette, Tattoo und eine große ‚Proll-Karre‘. Klischees, die sich über Jahre hinweg in meinem und sicher auch den Gedanken vieler anderer festgesetzt haben. 

An einem der letzten warmen Herbsttage besuche ich Petra*. Die 42-jährige Blondine ist Prostituierte im „Eros Center Bienenstock“. Eine von „20 bis 30 geilen Girls“, wie auf der Homepage angepriesen wird. Ich bin aufgeregt, schließlich bekommt man als ‚normale‘ Frau sonst nur selten die Gelegenheit, ein Laufhaus zu besuchen – geschweige denn mit ‚Freudenmädchen‘, wie sie früher gennant wurden, so offen zu plaudern. Der Bordell-Inhaber begrüßt mich herzlich. Er trägt weder Goldkette, noch hat er eine Glatze – und weist mir freundlich den Weg zu Petra.

Video: Das sind die brutalen Fakten der Zwangsprostitution

Drei Stockwerke geht es in die Höhe – der Aufzug ist hell und fast schon klinisch steril. Man sieht dem Gebäude an, dass es erst wenige Jahre auf dem Buckel hat. Der sterile Eindruck setzt sich auch beim Betreten des meterlangen Flures fort. Das gedämmte rote Licht verleiht dem Ganzen zum einen Wärme und doch etwas Verbotenes. Hinter jeder offenen Tür ist eine Frau in Reizwäsche – mal alt, mal jung, mal dunkel, mal blond. Mal die süße Nette, mal die extrovertierte Sexbombe.

Heidelberg: Wohnzimmeratmosphäre im Bordell

Petra passt zu keinem der Klischees, oder doch? Die Jalousien sind heruntergezogen, eine laues Lüftchen weht durch das schätzungsweiße 14 Quadratmeter kleine Zimmer. Das Bett ist mit einer kuscheligen Decke überzogen. Im Hintergrund läuft der Fernseher. Es herrscht eine Art Wohnzimmeratmosphäre. Einzig die zahlreichen Sexspielzeuge und Petra selbst erinnern an ein Bordell! 

Die Frau mit den blonden Haaren und der rauen Stimme ist bereits seit fünfzehn Jahren in der Branche tätig. Petra kommt schon früh mit dem Rotlicht-Milieu in Kontakt, schließlich ist der Bezirk rund um die Reeperbahn für die gebürtige Hamburgerin immer allgegenwärtig. 

Um die Jahrtausendwende arbeitet die 42-Jährige noch als Friseurin. Der Job habe ihr Spaß gemacht. Nur das Geld sei zu wenig gewesen, erzählt sie mir. Dann trifft sie auf eine Freundin aus der Berufsschulzeit. Die erzählt ihr vom großen Geld, das man als Freudenmädchen machen kann. „Ich dachte ich probier es einfach mal aus. Damals wurde in Hamburg noch alles auf Falle gemacht," erzählt sie gegenüber einer *HEIDELBERG24-Reporterin. Ich frage nach: „Was bedeutete auf Falle gemacht?“ – „Na nur so tun als ob!“

Der Job gefällt ihr

Petra gefällt der neue Job und die damit einhergehenden finanziellen Möglichkeiten. Sie kündigt im Friseur-Salon und fängt in einem Laufhaus in der Herbertstraße an. In einem Schaufenster steht sie dort, Nacht für Nacht und wartet darauf, dass Männer sie auswählen. Ein ganzes Jahr bleibt sie in Hamburg. Dann lockt sie eine Freundin nach Amsterdam. „Meine Freunde wissen zwar, was ich mache, aber sie müssen mich nicht jede Nacht fast nackt sehen. Es ist einfach doof in einer Stadt als Prostituierte zu arbeiten, in der man aufgewachsen ist und jeden kennt“. Von da an, kommt die Blondine viel herum: Amsterdam, Kaiserlautern, Friedrichshafen, Köln und schließlich Heidelberg.

In Heidelberg, im „Eroscenter Bienenstock“, fühle sie sich wohl. „Laufhäuser gefallen mir besser als Straßenstriche“, erzählt mir die gebürtige Hamburgerin. Ich kann verstehen, dass sie sich hier im Bienenstock wohl fühlt. Ihr kleines Zimmer macht einen belebten, fast schon heimeligen Eindruck. Der Geruch von Zigaretten und Parfüm, verleiht dem Ganzen eine bittersüße Atmosphäre. 

Petra arbeitet selbständig, wie fast alle Prostituierten seit der Verabschiedung der Sittenwidrigkeit im Jahr 2000. Sie ist für ein paar Wochen in Heidelberg, bevor sie wieder für ein paar Tage nach Hamburg in ihr Privatleben zurückkehrt. Soziale Kontakte habe sie hier in Heidelberg keine, wolle sie auch nicht. Eine strickte Trennung zwischen Beruf und Privatleben also. 

Doch wie läuft das mit Liebesbeziehungen? 

„Das ist schwierig“, gesteht Petra. „Vor allem, wenn der Partner in einer anderen Stadt wohnt. In meiner letzten Beziehung gab es viel Stress. Da hatte ich dann keine Lust mehr drauf!“ Auch Kinder wolle sie nie haben. Ich stelle fest, dass meine und ihre persönlichen Lebensvorstellungen weit auseinandergehen. Als ich sie frage, wie sie sich ihr Leben in zehn Jahren vorstellt, bekomme ich eine knappe Antwort: „Keine Ahnung, bei mir passiert alles spontan.“ Ein Mensch ohne Ziele erscheint mir immer als etwas verloren! So ist es auch bei Petra. Auch wenn ihre Antworten stets energetisch und selbstbewusst sind, bemerke ich, dass ihre Fassade in manchen Momenten bröckelt.

Heidelberg: Prostituierte, Masseurin und Psychologin

Die Freier, die hier ein uns aus gehen, seien ganz normale Männer aus allen Gesellschaftsschichten. Was ist mit dem Klischee von Ehemännern, die ihre Frauen betrügen? „Klar, die gibt es. Ein schlechtes Gewissen habe ich aber keins. Ich sag immer: Besser, die gehen ins Bordell und bezahlen, als dass sie sich 'ne Geliebte anschaffen und die Stress macht!“

Für Petra ist Prostitution ein stinknormaler Job, eine Dienstleistung eben! Manchmal sei sie auch Masseurin oder Psychologin.„Da kommen Männer zu mir, die wollen einfach nur reden und ich höre ihnen zu!“ Laut Petras Aussage sei das sogar der große Teil. Doch der Beruf bringt manchmal auch gefährlichen Seiten mit sich. So erzählt mir die 42-Jährige von einer Prügelei mit einem Engländer in einem Laufhaus in Amsterdam. „Der wollte mich vergewaltigen, da hab ich ihm mit meinen Absatzschuhen in die Eier getreten!“, erzählt die Blondine und zeigt grinsend auf ihren fünf Zentimeter dicken Lackschuhabsatz. „Damit hat der nicht gerechnet!“

Wie ein Roboter

Petra scheint eine starke Frau zu sein. Doch sie erzählt mir auch von einer Mauer, die sie über die Jahre um sich gebaut hat. „Im Job bin ich wie ein Roboter, lasse keinerlei Gefühle an mich ran. So muss dass auch sein, sonst geht man kaputt!“ In den letzten Jahren habe sie viele Kolleginnen getroffen, die nicht stark genug waren und wieder aufgehört haben. An das Aufhören denkt die Hamburgerin noch lange nicht.„Der Job macht mir Spaß und wenn man sich mal einen gewissen Lebensstandard erarbeitet hat, möchte man den auch nicht aufgeben!“ Für die Zukunft wünscht sich Petra vor allem, dass der Beruf Prostitution in der Gesellschaft weniger negative Bewertung erfährt!

Mittagstisch im Eros Center

Als ich die privaten Räume des Laufhauses betrete, herrscht eine lockere Atmosphäre. Mittagszeit. Eine Dame namens Holly* kocht für die gesamte Belegschaft. Es gibt Fisch, die Stimmung ist ausgelassen, fast schon familiär. Die Mädels unterhalten sich über alltägliche Dinge des Lebens. Nichts erinnert hier mehr an einen klischeebehafteten Puff. Es könnte genau so gut die Kantine einer Verwaltung sein.

An der Anmeldung fällt mir ein junges Mädchen auf. Sie ist hübsch – ihre mandelförmigen Augen unterstreichen ihre unschuldige Ausstrahlung. Judith* ist 23 Jahre alt und kommt aus Bulgarien. In gebrochenen Deutsch erklärt sie mir ihre Situation: „Ich bin seit zwei Jahren in Deutschland und gehe anschaffen, um Geld für die Familie in Bulgarien zu verdienen." Die wirtschaftliche Lage sei dort sehr schwer. Auf die Frage ob ihre Familie wisse, was sie hier in Deutschland mache, antwortet sie: „Nein, auf keinen Fall!“

Schicksale wie diese berühren mich, auch wenn ich weiß, dass es ihre eigene Entscheidung ist. Auch wenn sich viele meiner Klischees erfüllt haben und andere widerlegt wurden, bleibt die Welt der Prostitution für mich sehr befremdlich.

*Namen von der Redaktion geändert

*HEIDELBERG24.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

jmb

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