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Politik - 19.02.2019

Was tun mit den deutschen ISIS-Mitgliedern?

Diese deutschen Anhänger der Terrormiliz sind noch in Syrien

Was tun mit den gefangen genommenen deutschen Dschihadisten in Nord-Syrien?

US-Präsident Donald Trump fordert die Herkunftsländer der ISIS-Kämpfer auf, ihre Staatsbürger zurückzuführen und vor Gericht zu stellen, bevor sie wieder freikommen und erneut eine Gefahr darstellen könnten. Die Bundesregierung hat sich bislang nicht um eine Lösung des Problems bemüht, obwohl seit 2017 mehr und mehr Deutsche in Nordsyrien festgesetzt wurden.

Nach BILD-Informationen handelt es sich um gut vier Dutzend Dschihad-Reisende aus Deutschland und knapp 80 Kinder, von denen die meisten im „Kalifat“ geboren wurden. Wenn die letzten ISIS-Gebiete fallen, dürfte die Anzahl noch einmal steigen.

Nach Angaben des Innenministeriums befinden sich noch 270 Frauen und Kinder in Syrien und dem Irak. Nach Kenntnis deutscher Sicherheitsbehörden machten sich seit 2013 „gut 1050 Personen“ in die Kriegsgebiete in Syrien und dem Irak auf, um sich dort Dschihadisten-Milizen anzuschließen. Ein Drittel davon ist bereits nach Deutschland zurückkehrt. Rund 200 Personen sind demnach vermutlich in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen.

Im Auswärtigen Amt führt das Referat 511 –zuständig für die „Nothilfe für Deutsche im Ausland“ – deshalb seit Monaten eine streng geheime Liste mit Namen der ISIS-Mitglieder und wo und wie sie festgehalten werden. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Täglich wird die Liste aktualisiert.

Einige ISIS-Mitglieder wie Lukas Gläß aus Dortmund, Martin Lemke aus Zeitz oder Leonora Messing aus Sangerhausen wurden erst in den vergangenen Wochen aufgegriffen, andere sitzen bereits seit mehr als einem Jahr ein, etwa der Stuttgarter Dirk Pleil und die Münchenerin Sandra Meyer.

Diese ISIS-Anhänger stellen die Bundesregierung vor ein Dilemma: Einerseits sieht Deutschland sich verpflichtet, seine Staatsbürger zurückzuholen. Gleichzeitig will man die Rückkehrer für ihre Taten zur Rechenschaft ziehen.

  • Kommentar

    Ein deutsches Problem

    US-Präsident Trump verlangt, dass wir deutsche ISIS-­Kämpfer ­zurück zu uns holen. Und er hat völlig recht!

Entwurf plant Ausbürgerung von Mitgliedern mit zwei Pässen

▶︎ Das Problem: Vor allem gegen die ISIS-Kämpfer aus Syrien gibt es nach Angaben des Innenministeriums nur wenige belastbare juristische Vorwürfe. Auch der Ansprechpartner fehlt: Mit dem Assad-Regime will man nicht zusammen arbeiten und dem Kurden-Staat im Norden des Landes fehlen Autorität und die Mittel.

▶︎Die Folge: „Nur gegen sehr wenige dieser Personen liegen Haftbefehle vor. Gegen eine weitere, ähnlich kleine Gruppe, bestehen derzeit Ermittlungsverfahren“, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag. Anders ist es im Irak. Hier unterstützt die Bundesregierung die Anklage und Verurteilung von ISIS-Anhängern durch irakische Gerichte.

Syrien und Irak im Vorher-Nachher-Vergleich: So haben sich die ISIS-Gebiete verändert

ISIS in Syrien und dem Irak

Veränderung der Einflussgebiete (Bewegen Sie den Slider)

Die Gesetzeslage könnte sich allerdings verschärfen. Wie „die Welt“ berichtet, verzögert sich ein Gesetzentwurf, der die Ausbürgerung deutscher ISIS-Mitglieder mit doppelter Staatsbürgerschaft ermöglichen soll.

Dieser Vorschlag wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart und besagt: Kann man ISIS-Anhänger mit doppelter Staatsbürgerschaft die Beteiligung an den Taten der Terrormiliz nachweisen, können sie ihre Staatsbürgerschaft verlieren.

Zurzeit liegt der Entwurf allerdings auf Eis. Das Bundesjustizministerium habe zum Entwurf des Innenministeriums bislang keine Stellung genommen, so „die Welt“. Zudem gilt auch im Falle der ISIS-Anhänger das Rückwirkungsverbot. Heißt: Alle Anhänger, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ISIS angeschlossen haben, können nachträglich nicht dafür verurteilt werden.

Nach Angaben einer Analyse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Ausreise deutscher Islamisten nach Syrien und in den Irak in 2016 besaßen rund 27 Prozent der 769 Erfassten einen zweiten Pass.

  • Von der Leyen im BILD-Talk

    „Deutsche ISIS-Kämpfer sollte man hier vor Gericht stellen“

    Im BILD-Talk „Die richtigen Fragen“ spricht sich die Verteidigungsministerin klar für die deutsche Verantwortung in Syrien aus.

  • Warten auf Rückführung

    Kinder deutscher ISIS-Mitglieder in Syrien

    Gut 60 deutsche Kinder sitzen im nordsyrischen Kriegsgebiet fest. Der FDP-Politiker Stephan Thomae fordert ihre Rückführung.

Politik: Zurückholen, aber nur mit Gerichtsverfahren

▶︎ Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte am Montag noch einmal die Selbstverständlichkeit, dass deutsche Staatsbürger das Recht auf Einreise in die Bundesrepublik haben. Man sei auch mit den USA im Gespräch über die Problematik.

▶︎ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will deutsche ISIS-Kämpfer vor Gericht stellen. „Wir müssen aber gewährleisten können, dass eine Strafverfolgung möglich ist“, sagte sie im BILD-Talk „Die richtigen Fragen“.

▶︎ Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte, er halte eine Rückführung für „schwer realisierbar“, so lange es keine Informationen und Ermittlungsverfahren gebe. Gleichzeitig veröffentlichte das Auswärtige Amt noch einmal seine alte Sprachregelung, wonach in Syrien mangels deutscher Botschaft keine konsularische Betreuung möglich sei.

▶︎ Stephan Mayer (CSU), Staatssekretär im Innenministerium, knüpft an die Rückführung ebenfalls bestimmte Bedingungen. „Eine pauschale kollektive Rücknahme von IS-Kämpfern kommt für uns keinesfalls in Betracht“, sagte Mayer der „Passauer Neuen Presse“. Stattdessen müssten die deutschen Behörden die ISIS-Anhänger „unnachgiebig und nachdrücklich“ vor Gericht bringen. Jeder Einzelfall müsse geprüft werden. Es komme darauf an, Identität und Staatsangehörigkeit bereits im Ausland zweifelsfrei zu klären.

Stephan Mayer (CSU)

Keine pauschale Rückholung von ISIS-Kämpfern

Quelle: Reuters
0:47 Min.

Aber: Andere Staaten haben bereits einige ihrer Bürger zurückgeführt, darunter auch die USA – obwohl es keine amerikanische Botschaft in Damaskus gibt.

Auch Russland, Kasachstan, Indonesien und Mazedonien haben bereits größere Kontingente ISIS-Mitglieder zurückgeführt oder befinden sich gerade im Rückführungsprozess. Aus Frankreich gab es in den vergangenen Tagen mehrfach Signale der Regierung, knapp 130 Franzosen zurückzuführen.

Die belgische Regierung muss sich nach einem entsprechenden Gerichtsurteil ebenfalls mit der Rückführung auseinandersetzen. Zuvor hieß es aus Brüssel allerdings noch, man werde keinen großen Aufwand für die Rückführung der mittlerweile 14 gefangenen ISIS-Mitglieder betreiben.

Der Rechtsexperte Stephan Thomae (FDP) forderte die Bundesregierung zum Handeln auf: „So wie wir von den Herkunftsstaaten verlangen, dass sie ihre Staatsbürger zurücknehmen, die bei uns Straftaten begangen haben, können sie das zu Recht auch von uns erwarten, wenn deutsche Staatsangehörige im Ausland Straftaten verüben oder an Kriegshandlungen teilnehmen.“

  • Hamburger Vater verzweifelt

    Meine kleine Tochter wurde zu ISIS entführt

    „Bitte holen Sie meine Tochter zurück!“ – diesen Satz schreibt Danisch Farooqi immer wieder an verschiedene Behörden.

Zudem sollten humanitäre Gründe für die Rückführung der Kinder sprechen: „Insbesondere die Kleinkinder, die schutzlos den Fängen des IS ausgeliefert sind, müssen je früher, desto besser nach Deutschland zurückgeholt werden, wo sie meistens Familienangehörige haben, die auf sie warten. Nur in Deutschland haben diese Kinder eine Chance auf ein normales Leben fern der IS-Ideologie.“

Brandverletzungen: Heizungen setzen Zelte in Flammen

Tatsächlich ist die Versorgungslage in den Camps in Nord-Syrien kritisch: Weil immer mehr Menschen aus den von ISIS besetzten Gebieten kommen, sind die Flüchtlingslager überfüllt und die kurdische YPG-Miliz mit der Versorgung überfordert.

Nach BILD-Informationen starb erst vergangene Woche ein Mädchen an Unterversorgung – das Kind war die Tochter einer schwedischen ISIS-Anhängerin. Das Mädchen hatte Brandverletzungen erlitten, nachdem eines der Zelte Feuer gefangen hatte – ein häufiges Problem aufgrund der primitiven Heizsysteme. Auch einige Kinder deutscher Staatsangehöriger haben nach BILD-Informationen leichte Brandverletzungen.

Auch die Tochter des Hamburgers Danisch Farooqi befindet sich seit mehr als einem Jahr in einem solchen Camp. Farooqis Ex-Frau hatte das gemeinsame Kind nach Syrien zu ISIS entführt, vier Jahre lang hatte der Hamburger kein Lebenszeichen seiner Tochter gehört. Als sie dann in einem Flüchtlingscamp in Nord-Syrien auftauchte, wandte er sich sofort an das Auswärtige Amt – doch dieses verweigerte ihm Hilfe bei der Rückführung seiner Tochter. Er hofft nun mit einer Petition auf die Unterstützung anderer Eltern, um die Bundesregierung zum Handeln zu bewegen.

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