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Politik - 27.10.2018

VW-Chef verspricht ein Auto „wie Tesla, aber halb so teuer“

Erst Vollgas, dann Notbremse: Deutschlands modernster Motor ist in Rekordzeit vom gefeierten Klimaretter zum verpönten Luftverschmutzer herabgesunken. Maybrit Illner fragt: „Politische Geisterfahrt – wer zahlt für den Diesel-Skandal?“

Die Gäste

▶ Helge Braun (46, CDU). Der Chef des Bundeskanzleramtes will, dass VW & Co. manipulierte Autos kostenlos nachrüsten, bis sie wieder überall fahren dürfen.

▶ Cem Özdemir (52, Grüne). Der Ex-Parteichef ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag.

▶ Herbert Diess (60). Der VW-Chef trieb bis 2014 bei BMW das Elektroauto voran.

▶ Prof. Claudia Traidl-Hoffmann (48) leitet in München ein Institut für Umweltmedizin.

▶ Cerstin Gammelin (53). Die Wirtschaftsjournalistin schreibt für die „Süddeutsche Zeitung“. Ein Auto hat sie nicht.

▶ Matthias Schmitz. Der VW-Geschädigte war schon bei Illners letztem Diesel-Talk vor drei Wochen dabei.

Politik, Wirtschaft, Presse und ein Opfer: Wer bringt das Zoff-o-Meter auf Touren?

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Zum Start ein grüner Rundschlag

Der Kanzleramtsminister fordert: „Fahrverbote müssen verhältnismäßig sein.“ Die Journalistin registriert „großen Aktivismus“. Der Grüne sieht sogar eine „Panikreaktion vor der Landtagswahl“ in Hessen.

Da geht auch schon das Zoff-o-Meter los: „Hören Sie auf mit den Nebelkerzen!“ blafft Özdemir den Minister an. „Sorgen Sie dafür, dass die Autos sauberer werden! Investieren Sie auch in andere Verkehrsmittel!“ Das zieht immer, das Publikum applaudiert.

Beruhigungspille des Abends

Der VW-Chef will einen Gang runterschalten: „Die Diskussion ist viel zu emotional und auch überzogen“, sagt er. „Seit 1990 seien die Stickoxide um 70 Prozent reduziert worden.

Die Fahrverbot-Werte erklärt Diess mit der Lage der Messstellen „im Durchgangsverkehr, in enger Bebauung“. 200 Meter weiter sei die Lage oft schon viel besser, und überhaupt: „Das Problem ist in zwei Jahren weg!“

Eine dicke Portion Kreide

Diesel-Besitzer Schmitz hat ein Software-Update hinter sich, sieht aber nicht ein, dass er trotzdem für eine Hardware-Nachrüstung zahlen soll, weil sein Auto die Abgasgrenze immer noch nicht schafft.

Der VW-Chef schaut ihm tief in die Augen: „Es tut uns Leid, was wir Ihnen angetan haben“, säuselt er. „Und ich bin dankbar, dass Sie mitgemacht haben. Ihr Fahrzeug ist jetzt legal.“

Wie bitte? Richtig ist, dass der Schmitz-Diesel jetzt abgasmäßig eine gültige Betriebserlaubnis hat. In Fahrverbotszonen aber darf er trotzdem nicht hinein.

Eigenlob des Abends

„Wir haben zehn Millionen Fahrzeuge durch Software-Updates in die Legalität gebracht“, rühmt sich Diess.

„Mein Auto ist jetzt wieder verkehrssicher, aber was hat denn die Verkehrssicherheit mit den Fahrverboten zu tun?“ kontert Schmitz. Gute Frage!

Wichtigste Forderung

Der Kanzleramtsminister steht dem Enttäuschten bei: „Wir fordern die Industrie auf, dass sie uns hilft, den Dieselfahrern zu helfen, deren Autos formal völlig in Ordnung sind, die aber jetzt durch Fahrverbote in den Innenstädten bedroht sind“, sagt er etwas gewunden.

Im Übrigen habe die Regierung schon viele Maßnahmen zur Luftverbesserung angefangen, lächelt Braun, als da seien: „Saubere Busse, saubere Innenstädte, Park–and–ride–System – dafür möchte ich auch mal gelobt werden!“

„Oiii!“ spottet Illner. „Mit Steuergeldern!“

Schlimmste Drohung

„Die Hardware-Umrüstung kommt spät“, gibt Diess zu. „Ich bin aber nicht sicher, ob Herr Schmitz sie überhaupt will.“

Und dann schildert der VW-Chef die Operation im Detail: Reserverad weg. Löcher im Teppich. Schläuche für den Harnstoff AdBlue. 10 Arbeitsstunden.

Und das ist noch nicht alles. Danach steigt der Spritverbrauch. „Und wenn Sie im Urlaub AdBlue nachfüllen müssen, können Sie vorher den ganzen Kofferraum ausräumen!“ erklärt er.

Vernünftigster Vorschlag

Schmitz kennt das zwar schon, fragt aber trotzdem: „Wer garantiert mir, dass ich, wenn ich das machen lasse, mein Auto nicht in drei, vier oder fünf Jahren trotzdem wieder ausgesperrt wird?“

Genau deshalb bringt Diess jetzt einen ganz anderen Vorschlag: Statt der Nachrüstung einen jungen Gebrauchtwagen plus günstiges Finanzierungsangebot. Das will Schmitz sich gern mal anhören: „Ich erwarte Ihren Anruf!“

  • Kommentar

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Zukunftsvision des Abends

Auch der Minister findet solche Umtauschangebote gut. Zur Nachrüstung aber sagt er zäh wie seine Chefin: „Die Industrie muss alle Kosten übernehmen. Der Diesel-Fahrer darf nicht zur Kasse gebeten werden!“

Der VW-Chef hat daran schwer zu schlucken: „Ja, aber es ist einfach Unsinn, weil wir die Situation mit anderen Mitteln viel besser entspannen können“, lamentiert er. Besserer Verkehrsfluss, bessere Busse…“

Frechste Frage

„Wie viele moderne Busse hat VW denn im Angebot?“ funkt Özdemir dazwischen. Die Kommunen müssten sich die gewünschten E-Busse im fernen China bestellen.

„Da kommen wir jetzt ganz stark“, verspricht Diess. „Wir haben 30 Milliarden in Elektromobilität investiert. Wir haben ein Werk in Zwickau schon umgewidmet. Wir bauen in Shanghai ein Elektrofahrzeugwerk auf.“

Und: „Wir werden 2020 kommen mit Fahrzeugen, die alles können wie Tesla und um die Hälfte billiger sind!“

Ernüchterndste Feststellung

„Stickoxide sind eine große Gefahr für die Gesundheit“, macht Medizinerin Traidl-Hoffmann klar. „Herz-Kreislauferkrankungen, Asthma, Allergien, auch Diabetes…“

Doch: „Fahrverbote helfen da nicht. Denn das sind alles langfristige Effekte. Deshalb helfen auch nur langfristige Maßnahmen: Intelligente Mobilität, intelligente Kraftstoffe.“

Witzigster Vergleich

„Und dann gibt es ja auch noch den Feinstaub“, merkt die Journalistin an. Und weitere andere schädliche Faktoren.

Schlussfolgerung: Sich nur auf die Reduzierung der Stickoxide zu verlassen sei wie „mit dem Rauchen aufhören, aber weiter Schwarzwälder Kirschtorte essen“. Immer diese Appetitverderber…

Optimistischste Ankündigung

„Elektrofahrzeuge werden die Mobilität verteuern, durch die Batterien“, gibt Diess zu.

Aber: „In den Jahren 2019, 2020 kommen wirklich hochattraktive Fahrzeuge, die für viele Kunden sowohl vom Preis als auch von der Leistung, der Reichweite, der Ladefähigkeit eine Alternative sein werden. Und dann kommt ein großer Boom!“

Zitat des Abends

„Wir brauchen den Diesel für das Weltklima noch eine ganze Weile!“ (Braun)

Fazit

Viel Zukunftsmusik, aber noch keine wirklich überzeugende Lösung der Gegenwartsprobleme. Das war ein Talk der Kategorie „Schleichfahrt“.

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