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Politik - 14.11.2018

Merkel für Europa-Armee

● „Alte Verbündete stellen bewährte Allianzen in Frage“ ● „Schicksal stärker in die eigene Hand nehmen“ ● „Die europäische Armee ist keine Armee gegen die Nato“

Quelle: Reuters
1:38 Min.

Bei dieser Rede hörte auch US-Präsident Donald Trump genau hin!

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Nachmittag im Straßburger Europaparlament über die Zukunft Europas.

Wichtigster Punkt: Emmanuel Macrons kontroverser Vorschlag, eine „echte Europa-Armee“ zu schaffen. Der Plan löste in Washington erhebliche Irritationen aus.

Buhrufe, aber viel Beifall beim Thema „Europa-Armee“

Es wurde turbulent im Parlament, als Merkel auf das Reizthema zu sprechen kam: „Die Zeiten, in denen wir uns vorbehaltlos auf andere verlassen konnten, sind vorbei“, sagte Merkel. „Wenn wir als Gemeinschaft überleben wollen, müssen wir das Schicksal stärker in die eigene Hand nehmen.“ Die EU müsse „außenpolitisch handlungsfähiger werden“. An dieser Stelle gab Buhrufe und Zwischenrufe, aber auch lauten Beifall.

Die Kanzlerin konkretisierte: „Wir müssen eine europäische Eingreiftruppe schaffen.“ Und:
„Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages eine echte europäische Armee zu schaffen.“ Dazu gehörte auch eine gemeinsame Entwicklung von Waffensystemen.

▶︎„Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäischen Ländern nie wieder Krieg gibt“, stellte Merkel klar.

Und die Kanzlerin richtete eine klare Botschaft an Trump: „Die europäische Armee ist keine Armee gegen die Nato. Ich bitte Sie – das kann eine gute Verbindung zur Nato sein. Kein Mensch möchte klassische Verbindungen in Frage stellen!“

Begonnen hatte Merkel ihre Rede mit dem Satz, sie stehe mit Freude und Dankbarkeit vor dem „größten demokratischen Parlament der Welt“. Europa stehe für Vielfalt, aber auch für das Ringen um Kompromisse, die bislang immer erreicht worden seien. „Das zeichnet dieses Haus aus: sich immer wieder bei aller Vielfalt vom Willen zur Einigung, dem Willen zum Kompromiss leiten zu lassen.“

„Es wird immer wichtiger, dass wir Europäer zusammen stehen“, sagte Merkel.

Europas „strapazierte Seele“

Die „Seele Europas“ sei seit ihrer letzten Rede im Europaparlament 2007 „arg strapaziert worden“. Die Kanzlerin: „Kriege und bewaffnete Konflikte finden nur wenige Flugstunden, direkt vor unserer Haustür statt.“ Und: „Alte Verbündete stellen bewährte Allianzen in Frage.“ Merkel nannte exemplarisch den geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Der Satz war aber auch als Seitenhieb auf US-Präsident Donald Trump zu verstehen.

„Mehr denn je brauchen wir das Verständnis, dass Toleranz die Seele Europas ist“, sagte Merkel.

„Die Toleranz ist die Seele Europas und ein unverzichtbarer Grundwert der europäischen Identität.“ Europa müsse die Bedürfnisse des jeweils anderen Landes auch als eigenes Interesse begreifen. Das führe zur Solidarität als „Grundvoraussetzung jeder Gemeinschaft (…), von der Familie über den Sportverein bis zur Europäischen Union“.

„Solidarität ist ein Teil der europäischen DNA“, sagte Merkel und bekam Zwischenapplaus, als sie anfügte: „Wer rechtsstaatliche Prinzipien in seinem Land aushöhlt, gefährdet die Rechtsstaatlichkeit von uns allen in Europa.“ Gemeint waren offensichtlich die Regierungen Ungarns und Polens.

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„Nie wieder Chance für Nationalismus und Egoismus“

Weitere Themen der Kanzlerin: Wirtschaftlicher Erfolg („Wenn wir wirtschaftlich nicht stark sind, werden wir auch politisch nicht einflussreich sein“) und die gemeinsame Verantwortung für den Euro: „Wer darauf setzt, Probleme alleine durch neue Schulden zu lösen, und eingegangene Verpflichtungen missachtet, der stellt die Grundlagen für die Stärke und die Stabilität des Euro-Raumes in Frage“, sagte Merkel, ohne direkt ein Land zu nennen.

Angesprochen fühlte sich mit Sicherheit Italien: „Unsere gemeinsame Währung kann nur funktionieren, wenn jedes einzelne Mitglied seine Verantwortung für tragfähige Finanzen auch zu Hause erfüllt“, sagte Merkel.

Das Dauerstreitthema Flucht und Migration streifte sie nur: „In der Euro-Krise hatten wir schon viele Hürden zu überwinden, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Aber es ist uns gelungen. In der Frage von Flucht und Migration ist Europa nicht so geeint, wie ich mir das wünschen würde.“

„Nationalismus und Egoismus dürfen nie wieder eine Chance in Europa haben“, betonte Merkel unter erneutem Beifall und Buhrufen. „Toleranz und Solidarität sind unsere gemeinsame Zukunft.“

Zum Schluss wandte sich Merkel noch an die Absender der Zwischenrufe: „Dass ich den Kern getroffen habe, zeigt sich an dem Protest. Das ist schön und ehrenvoll.“

„Nicht allein auf die USA verlassen“

Wie ist der Streit um die Europa-Armee entstanden?

Rückblende: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte vergangene Woche anlässlich des 100 Jahrestages der Beendigung des 1. Weltkrieges eine „wahre europäische Armee“ gefordert. Mit Blick auf „Russland, das an unseren Grenzen steht und das zur Bedrohung werden könnte“, dürften sich die Europäer „nicht allein auf die USA verlassen“.

Merkel hatte zwei Tage später betont, Europa mangle es an Einigkeit etwa gegenüber Russland, den USA oder China. Das müsse sich ändern – „ansonsten werden uns die Menschen in Europa nicht ernst nehmen.“

Trump ließ kein gutes Haar an Macrons Vorschlag

Trump reagierte darauf empört, nannte den Vorstoß „sehr beleidigend“: „Vielleicht sollte Europa zuerst seinen gerechten Anteil an die Nato bezahlen, die die USA erheblich bezuschussen“, kritisierte er.

Macron gab sich zunächst versöhnlich, legte aber in einem CNN-Interview nach: „Was ich nicht sehen möchte, sind europäische Länder, die ihr Verteidigungsbudget steigern, um (US-) amerikanische oder andere Waffen zu kaufen (…). Wenn wir unser Budget steigern, geht es darum, unsere Eigenständigkeit aufzubauen.“

Bedeutet im Klartext: Die Milliarden-Ausgaben sollen in Europa bleiben.

Emmanuel Macron suggests building its own army to protect Europe against the U.S., China and Russia. But it was Germany in World Wars One & Two – How did that work out for France? They were starting to learn German in Paris before the U.S. came along. Pay for NATO or not!

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 13, 2018

Am Dienstag legte Trump auf Twitter noch einmal nach: „Emmanuel Macron schlägt vor, eine eigene Armee aufzubauen, um Europa vor den USA, China und Russland zu schützen. Aber es war Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg – wie lief es da für Frankreich? Sie begannen in Paris Deutsch zu lernen, bevor die USA auftauchten. Zahlt für die NATO oder lasst es bleiben!“

Es folgten einige Sticheleien gegen Frankreichs Präsidenten, der niedrige Zustimmungswerte und eine hohe Arbeitslosenquote im eigenen Land habe. Daran fügte Trump den offenbar nicht nett gemeinten Spruch: „Make France Great Again“.

Zustimmung aus SPD und CDU

Grundsätzlich positiv zu Macrons Vorstellungen hatte sich CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer geäußert. Eine Zwischenposition nahm Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein: Sie sprach von einer „Armee der Europäer“, die auf den Ausbau von Kooperationen basiert, die aber die Verantwortung für jeden Einsatz von Soldaten letztlich bei den Nationalstaaten belässt.

SPD-Chefin Andrea Nahles unterstützte den Vorschlag: In der EU gebe es 28 Armeen, 27 Luftwaffen und 23 Marinen. „Kein Wunder, dass wir wahnsinnig viel für Militär ausgeben“, sagte Nahles am Wochenende.

Deutliche Ablehnung vom Nato-Chef

Ablehnung kam von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Wir begrüßen größere Verteidigungsanstrengungen Europas“, sagte Stoltenberg in der ARD. „Das muss aber innerhalb des Nato-Rahmens geschehen.“

Wie wichtig die transatlantische Einigkeit sei, zeige die Erfahrung aus zwei Weltkriegen.

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