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Politik - 08.03.2019

Italien führt „Hartz quattro“ ein

Protestpartei 5 Sterne löst umstrittenes Wahlkampf-Versprechen ein

Darf ein hoch verschuldetes Land noch mehr Schulden machen, wenn es um die Unterstützung von Arbeitslosen und Armen geht?

Italiens umstrittene Regierungskoalition aus Rechtspopulisten und Protestpartei meint ja – und führt ein Grundeinkommen ein, das in vielfacher Hinsicht mit dem deutschen „Hartz IV“-System vergleichbar ist: Erstmals können Italiener seit dieser Woche Anträge auf die neue staatliche Stütze stellen. Damit erfüllt die mitregierende populistische Fünf-Sterne-Bewegung ihr Hauptversprechen, das sie im Wahlkampf gemacht hat. Vor allem im ärmeren Süden führte das Versprechen zu massivem Wählerzuspruch.

Von dem sogenannten Bürgereinkommen („reddito di cittadinanza“) sollen Menschen profitieren, deren monatliches Einkommen unterhalb der Armutsgrenze von 780 Euro liegt.
Die Berechtigten sollen pro Monat mit bis zu 780 Euro unterstützt werden, Familien können bis zu 1300 Euro erhalten. Am ersten Tag gingen rund 50 000 Anträge ein, die erste Auszahlung soll Ende April stattfinden.

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Das erwartete Chaos in Postfilialen und Zentren für steuerliche Beratung, wo das Bürgereinkommen beantragt werden kann, blieb zunächst aus. Im wohlhabenden Südtirol (Vollbeschäftigung) wurde am ersten Tag kein einziger Stütze-Antrag gestellt.

Am meisten Zuspruch fand die Online-Registrierung.

„Der Staat kümmert sich endlich um die Unsichtbaren (der Gesellschaft)“, erklärte der Arbeitsminister und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, auf Facebook. Die Gruppe derjenigen, die in Italien unterhalb der Armutsgrenze leben, hat sich zwischen 2007 und 2017 von 1,8 Millionen auf fünf Millionen Menschen fast verdreifacht.

Angesichts des riesigen Schuldenbergs (2,3 Billionen Euro, knapp 132 Prozent der Wirtschaftskraft) ist das Bürgereinkommen umstritten. Die Regierung schätzt die Kosten allein in diesem Jahr auf 6,1 Milliarden Euro. Rund vier Milliarden soll das Wahlversprechen des Koalitionspartners, der rechten Lega, kosten. Die kippt ein Sparprogramm der Vorgängerregierung, ermöglicht 400 000 Italienern eine vorgezogene Rente.

Profitiert auch ein Mafia-Clan vom „Bürgereinkommen“?

Kritiker des Bürgereinkommens bemängeln, dass die Maßnahme Jobsuchende gar dazu verleiten könnte, arbeitslos zu bleiben.

Groß ist auch die Angst vor Missbrauch: In einem Vorort von Rom tauchten bereits am ersten Tag die Namen von Mitgliedern eines landesweit berüchtigten Mafia-Clans in den Antragslisten auf.

Fünf-Sterne-Chef und Vizepremier Luigi Di Maio sprach dennoch von einer „Revolution“ für Italien.

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