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Politik - 22.10.2018

Die dunkle Seite des Grinse-Scheichs

Die Spuren im Fall Khashoggi führen nach Riad, wo ein junger Kronprinz mit beispielloser Brutalität regiert. Die Zukunft des ultrakonservativen Königreichs hängt nun davon ab, ob das Königshaus sein Gesicht wahren kann.

Mohammed bin Salman testete die Grenzen mehr als einmal aus, seit er die Macht in Saudi-Arabien übernommen hat.

► An der Eskalation des Jemen-Konflikts zur weltweit schwersten humanitären Krise war er maßgeblich beteiligt, auf sein Betreiben wird das Nachbaremirat Katar seit mehr als einem Jahr blockiert.

▶︎ Im vergangenen Herbst schließlich zwang er den libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri bei einem Besuch in Saudi-Arabien zum Rücktritt, den Hariri später wieder zurücknahm. Vor allem US-Präsident Donald Trump, dessen Land einst eine internationale Führungsrolle innehatte, hatte als enger Partner der Saudis dieses Vorgehen nicht kritisiert und den jungen Kronprinzen gewähren lassen.

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Quelle: Reuters
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Das zwielichtige Image des Saudi-Prinzen

Die gegenwärtige Eskalation schien vor wenigen Jahren noch undenkbar.

Anfang 2015 war Mohammed bin Salman einer unter vielen Prinzen in der weit verzweigten Königsfamilie Al Saud. Dann aber wurde Mohammeds Vater Salman König und machte seinen Sohn zu einem der mächtigsten Männer seit Staatsgründer Ibn Saud. Der erst 33-Jährige sammelte hochrangige Posten und gilt als Vater der „Vision 2030“, der umfassenden Reformagenda zur Modernisierung des islamisch-konservativen Landes.

Der von Mohammed bin Salman verkörperte Wandel machte ihn zum großen Hoffnungsträger der jungen saudischen Bevölkerung.

International kreierte „MbS“, wie er mittlerweile nicht mehr nur im Königreich genannt wird, mit viel Geld ein Image von sich, das letztlich auch zu einem großen Wohlwollen in der internationalen Politik beitrug. Das stärkte seine Machtposition nach innen.

Doch hinter dem selbstbewussten Lächeln des hochgewachsenen Mannes gibt es die andere, Kritiker sagen dunkle Seite.

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▶︎ Mit einer immensen Energie zerschlug MbS Strukturen der saudischen Machtzirkel, die für einen gewissen Ausgleich sorgen sollten. Interne Gegner wie der ursprüngliche Kronprinz Mohammed bin Naif oder der mächtige Chef der Nationalgarde, Prinz Mutaib bin Abdullah, wurden geschasst. Interne Korrekturinstanzen gibt es so gut wie keine mehr unter der absolutistischen neuen Herrschaft.

▶︎ Mit Verhaftungswellen entledigte sich MbS der Kritiker in den Reihen der Geistlichen und der Wirtschaftselite und ging mit harter Hand gegen Aktivisten vor. Guido Steinberg, Nahost-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht darin eine „im Königreich bis dahin lange nicht gekannte Härte“. Es zeige sich eine Bereitschaft, „Gewalt ganz unverhältnismäßig gegen Kontrahenten einzusetzen“.

Eine Tendenz, die der Bundesnachrichtendienst schon Ende 2015 erkannte. Er warnte vor einer bevorstehenden „impulsiven Interventionspolitik“ unter der neuen Führung Saudi-Arabiens.

Die Analyse bezog sich vor allem auf Mohammed bin Salman, der bereit sei, beispiellose „militärische, finanzielle und politische Risiken einzugehen, um regionalpolitisch nicht ins Hintertreffen zu geraten“.

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Wie geht es weiter mit dem Thronfolger?

Tatsächlich zeichnet sich Saudi-Arabiens gegenwärtige Außenpolitik durch eine Aggressivität aus, die selbst Diplomaten teilweise unerklärbar ist.

▶︎ Doch immer wird in diesem Zusammenhang auch die Rolle der USA erwähnt: Donald Trump habe mit seiner unkritischen Haltung gegenüber MbS Tür und Tor dafür geöffnet, dass der sich nicht nur in Saudi-Arabien dem Gesetz überlegen fühlt.

Der Fall Khashoggi allerdings zeigt dem Kronprinzen Beobachtern zufolge nun erstmals Grenzen auf und setzt ihn in einer bis dato unbekannten Weise unter Druck. Es drohen ernsthafte internationale Konsequenzen.

Deshalb wird spekuliert, das Königshaus könnte ein Bauernopfer präsentieren, um den Kronprinzen zu schützen. Wie hilfreich eine solche Version wäre, bleibt fraglich – schließlich deuten viele Hinweise auf eine Verbindung des Thronfolgers zur Tat.

Was derweil innerhalb des Königshauses vorgeht und ob sich Widerstand gegen Mohammed bin Salman regt, darüber kann nur spekuliert werden. „Er hat Feinde, aber er hat, so weit man es von außen sagen kann, Kontrolle über alle Schaltstellen der Macht und vor allem die Sicherheitskräfte“, sagt Experte Steinberg. Es gebe in Riad keinen Gegenspieler, der dem Kronprinzen gefährlich werden könnte.

Die einzige Person, die den Thronfolger zur Räson bringen könnte, ist Steinberg zufolge der greise König Salman. Der 82-Jährige hätte theoretisch auch die Möglichkeit, seinen Sohn zu entlassen und einen neuen Thronfolger zu benennen.

Ob das angesichts der Kräfteverhältnisse im Palast praktisch noch möglich wäre, ist ungewiss. „Das hängt aber auch ganz klar vom US-Druck auf Saudi-Arabien ab“, sagt Steinberg.

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