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Politik - 22.10.2018

Flüchtlingswelle verdoppelt sich in Mexiko

BILD erklärt, warum sich Tausende dem Marsch Richtung USA anschließen

Quelle: Reuters
1:33 Min.

Tausende Menschen aus Zentralamerika sind zu Fuß auf dem Weg nach Norden. Sie flüchten nicht vor Krieg, sondern vor Bandengewalt und Armut. Über Mexiko wollen sie in die USA – doch Präsident Trump macht dicht.

Wie 2015 in Europa droht eine humanitäre Tragödie. Und wie vor drei Jahren ist die Frage: Sollen reiche Industrie-Nationen ihre Grenzen sichern, oder sollen sie helfen?

Ein Großteil der Migranten hat Absperrungen im Grenzort Tecún Umán (Guatemala) überwunden – Schätzungen des Roten Kreuzes zufolge sind es inzwischen 7500 Menschen, die Richtung US-Grenze strömen, bis Sonntag war noch von 4000 Migranten die Rede.

Anwohner zeigten Solidarität, spendeten Wasser und Lebensmittel. Die überwiegend aus Honduras stammenden Menschen wurden in Flüchtlingslager vor Mexikos südlichster Stadt Tapachula geleitet.

  • Ansturm aus Guatemala

    Migranten durchbrechen Grenzzaun zu Mexiko

    An einem Grenzübergang zwischen Guatemala und Mexiko haben Männer, Frauen und Kinder einen Zaun durchbrochen.

„Si se puedo! Si se puedo!“

Sie haben sich bei brütender Hitze auf den bis zu 4000 Kilometer langen Fußmarsch gemacht, um in einem fremden Land ein besseres Leben zu beginnen.

Vieles deutet daraufhin, dass dies der Anfang einer neuen Massenmigration sein könnte. Das erklärt auch die Hysterie, die die vergleichsweise kleine Menschenmenge in den USA und Mexiko auslöst. Zum Vergleich: Das Krisenland Venezuela haben in den vergangenen Jahren 2,5 Millionen Einwohner verlassen, aktuell sind es noch immer 5000 am Tag. Deutschland nahm auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise (2015/2016) etwa eine Million Migranten auf.

Mit jedem Kilometer scheint unter den Migranten die Entschlossenheit zu wachsen: Als eine schwergewichtige Mutter und ihre zwei Kinder am Suchiate-Fluss an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko mit einer Leiter und einem Seil auf ein Floß hinabgelassen werden, um ans nördliche Ufer zu gelangen, rufen ihnen andere einen Schlachtruf zu, der den US-Amerikanern nur zu bekannt vorkommen muss: „Si se puedo!“ – „Ja, wir können.“

Mit diesem Slogan hatte Barack Obama 2008 Amerikas Minderheiten für sich mobilisiert. Nun machen sich Flüchtlinge aus Honduras, El Salvador und Guatemala mit diesen Worten Hoffnung.

Die Szenen sind herzzerreißend

Weinende Jungen und Mädchen. Zeltlager. Alte Menschen, die in der Hitze mit Schaum vor dem Mund zusammenbrechen. Kinder, die allein losgeschickt wurden, weil zu Hause nur Hunger und Aussichtslosigkeit warten. Väter, die wütend Zäune einbrechen und ihre Söhne oder Töchter durch Wasserläufe tragen. Anwohner, die Lebensmittel bringen, um fremden Menschen zu helfen.

„Nach allem, was wir durchgemacht haben, wird uns niemand aufhalten“, sagte Aaron Juarez (21), der mit seiner Frau und seinem Baby auf dem Weg in die USA ist. „Wir haben Sonnenbrand und Blasen, aber wir haben es hierher geschafft“, sagt Britany Hernandez. „Unsere Stärke ist größer als die Drohungen Trumps.“

Trump macht mit der Flüchtlingswelle Wahlkampf

In den USA greift Präsident Donald Trump (72) die Bilder auf, um zu polarisieren. Es ist sein Thema aus dem Präsidentschafts-Wahlkampf 2015 und 2016 („Mexiko schickt uns nicht seine Besten. Es sind Vergewaltiger, Mörder, Drogendealer“).

Bei einer Wahlkampfveranstaltung vor den sogenannten Midterms in Montana donnerte er: „Dies wird eine Wahl der Karawane.“ Trump konstruierte eine Verschwörungstheorie: Die Demokraten zählten darauf, dass die Migranten noch vor der Wahl in den USA eintreffen, damit sie illegal wählen könnten – eine Behauptung, die von den Liberalen als „Volksverhetzung“ zurückgewiesen wird.

Mexiko ruft Vereinte Nationen zu Hilfe

Auf Twitter kündigte Trump an: „Es werden alle Anstrengungen unternommen, um den Ansturm illegaler Einwanderer zu stoppen, die unsere südliche Grenze überqueren wollen. Sie müssen erst in Mexiko Asyl beantragen, sonst werden sie von den USA abgewiesen.“

Doch die mexikanischen Behörden sind überfordert. Um das Schlimmste zu verhindern, haben sie mehrere Hundert Frauen (viele schwanger) und Kinder ins Land gelassen und mit dem Roten Kreuz Zeltlager eingerichtet. Die Regierung hat zudem Hilfe von den Vereinten Nationen angefordert.

Gleichzeitig versucht Mexiko, den Forderungen aus Washington zu folgen, und weist so viele Flüchtlinge wie möglich ab. „Wer keine Papiere hat, darf nicht über die Grenze“, heißt es offiziell.

Doch die verzweifelten Migranten sind fest entschlossen, nicht umzukehren in ein Leben mit düsterer Zukunft. Hunderte sind an den Grenzbeamten vorbei über den Fluss nach Mexiko vorgedrungen. Sie heuerten entweder für rund einen Euro Einheimische an, damit sie sie in Booten oder Flößen über den Suchiate brachten. Oder sie schwammen oder wateten durch das Wasser.

„Nach allem, was wir durchgemacht haben, wird uns niemand aufhalten“, sagte der 21-jährige Aaron Juarez, der mit seiner Frau und seinem Baby auf dem Weg in die USA war. „Wir haben Sonnenbrand und Blasen, aber wir haben es hierher geschafft“, sagte Britany Hernandez. „Unsere Stärke ist größer als die Drohungen Trumps.“

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Jeden Tag schließen sich mehr Flüchtlinge an

Wer diesen riesigen Flüchtlingszug organisiert hat? Die Antwort: Menschen in Honduras haben sich auf den Straßen und über soziale Medien zusammengeschlossen und entschieden, gemeinsam in Richtung der USA aufzubrechen.

Auf dem Weg nach Norden kamen jeden Tag weitere Menschen dazu. Ein Grund: Abgesehen von Panama und Costa Rica im Süden, droht ganz Zentralamerika gegenwärtig in Armut und Kriminalität zu versinken. Vor allem in Honduras und El Salvador, den Hochburgen der berüchtigten MS-13-Gangs, ist die Mordrate so hoch wie in keinem anderen Land der Welt.

Bis zu zwei Drittel der Bürger leben dort in Armut. In Guatemala und in Nicaragua sieht es nicht besser aus. Gesamtbevölkerung dieser Länder: 36 Millionen. Immer mehr von ihnen kommen an einen Punkt, an dem sie nichts mehr zu verlieren haben.

Im Norden Südamerikas versinkt derweil Venezuela (32 Millionen Einwohner) im Chaos. Auch dort explodiert die Zahl der Menschen, die die Flucht ergreifen.

Und dann ist da noch Mexiko selbst, von dem Trump fordert, dass es einen Puffer nach Süden bildet. Zwar ist Mexiko mit einem Bruttosozialprodukt von 1,2 Milliarden Dollar eine bedeutende Wirtschaft, doch 42 Prozent der 130 Millionen Einwohner leben in Armut. Folge: Auch viele von ihnen werden sich dem Strom der Flüchtlinge anschließen.

Zwei brisante Fragen, auf die es keine klare Antwort gibt, bewegen nun die USA: Wie viele Menschen werden dem „Yes, we can“-Ruf noch folgen? Und was wird Donald Trump anordnen, sollten sie die gut 3000 Kilometer breite Grenze erreichen?

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