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Politik - 22.10.2018

Wie der Regime-Kritiker für die Pressefreiheit kämpfte

Eigentlich wollte er nur Dokumente für seine Hochzeit abholen – dann wurde er Opfer eines brutalen Mordes.

Jamal Khashoggi (59), einer der bekanntesten Journalisten Saudi-Arabiens, ging am 2. Oktober zu einem Termin in das saudische Konsulat in Istanbul. Er kam dort nie wieder heraus. Denn im Konsulat wartete ein Killerkommando, das den Journalisten bei lebendigem Leib zersägt haben soll. Von der Leiche fehlt weiter jede Spur.

Unter den Regime-Kritikern zählte der Journalist zu den gemäßigten Stimmen. Die jüngsten Reformen von Saudi-Arabiens Kronprinz, Mohammed bin Salman (33), lobte er. Khashoggis größter Kritikpunkt, die eingeschränkte Pressefreiheit und die harschen Repressionen gegen Kritiker, wurde für den 59-Jährigen schließlich zur Lebensaufgabe. Immer wieder schrieb er kritische Artikel und Beiträge für eine freie Presse im arabischen Raum.

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Vom islamistischen ins liberale Lager

Khashoggis Einsatz für liberale Ideale war am Anfang seiner Karriere noch nicht abzusehen. Als junger Journalist gehörte er noch dem islamistischen Lager an und interviewte den späteren Al-Qaida-Führer Osama bin Laden, er traf den Terror-Fürsten mehrfach in Afghanistan und später im Sudan.

Dann die Kehrtwende: Khashoggi wandte sich von der strikten Lesart des Islam durch die Salafisten ab. Stattdessen verschrieb er sich liberalen Ideen und stand deshalb oft in Konflikt mit den religiösen Kräften Saudi-Arabiens. Auch sein Verhältnis zum Königshaus war ambivalent. Zeitweilig diente er als Berater des Prinzen Turki al-Faisal, der lange als Botschafter in Washington war und die Geheimdienste leitete.

Schließlich fand Khashoggi zurück in den Journalismus. Auf seine kritischen Beiträge reagierte die Elite aber mit Repressionen: Zwei Mal übernahm er die Leitung der Zeitung „Al-Watan“, zwei Mal musste er wegen seiner kritischen Berichterstattung gehen. Im Auftrag des Milliardärs Prinz Al-Walid bin Talal baute Khashoggi 2015 einen neuen panarabischen Nachrichtensender namens „Al-Arab“ in Bahrain auf. Wegen eines kritischen Beitrages wurde der Sender gleich am zweiten Tag wieder geschlossen.

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Unter Kronprinz bin Salman verschärften sich die Repressionen in Saudi-Arabien: Nachdem er die von Riad als Terrororganisation eingestufte islamistische Muslimbruderschaft verteidigt hatte, verlor Khashoggi seine Arbeit bei der Zeitung „Al-Hajat“.

Aus Angst vor einer Festnahme floh der Journalist in die USA. Dort schrieb er für die „Washington Post“ weiter über die Golfregion und kritisierte immer wieder die saudische Außenpolitik, beispielsweise anlässlich der Militärintervention im Jemen und der Blockade gegen das Golfemirat Katar.

Zentrales Thema seiner Artikel war dabei immer wieder: Die Notwendigkeit einer freien und kritischen Presse. Ausgerechnet seine letzte, nach dem Tod veröffentliche Kolumne forderte im Titel: „Was die arabische Welt wirklich braucht, ist eine freie Presse“. Nur so könnten Bürger die Politik besser verstehen.

Tod unter rätselhaften Umständen

Nun hat es ihn selber getroffen. Die Führung in Riad teilte am frühen Samstagmorgen mit, dass Khashoggi am 2. Oktober während eines Besuchs im Konsulat bei einer „Schlägerei“ mit ungenannten Personen zu Tode gekommen sei. Inzwischen hat ein hochrangiger saudischer Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, gesagt, der Journalist sei durch einen Würgegriff gestorben.

Absurd: Erst hatten die Saudis behauptet, Khashoggi habe das Konsulat in Istanbul wieder verlassen. Beweise konnten sie das allerdings nicht. Angeblicher Grund: Die Kameras am Konsulat seien kaputt gewesen.

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18 Verdächtige seien festgenommen und Vize-Geheimdienstchef Ahmad al-Assiri und der königliche Medienberater Saud al-Kahtani entlassen worden.

Beide gehören zum inneren Zirkel von Kronprinz bin Salman, der verdächtigt wird, den Mord an seinem Kritiker angeordnet zu haben. Zwar bestreitet bin Salman jede Kenntnis von dem Geschehen im Konsulat. Doch wenn seine beiden Vertrauten al-Assiri und al-Kahtani hinter der Tat stecken, erscheint es fraglich, dass der Kronprinz selbst nicht informiert war.

Angesichts der bisherigen Schilderung des Tathergangs halten amerikanische Geheimdienste die saudische Version um Khashoggis Tod für unglaubwürdig, wie die „New York Times“ berichtet. Der Tod Khashoggis dürfte nun im Westen die Debatte über den Umgang mit den Verbündeten in Riad neu befeuern.

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