Lieber Tenno, Kaiser von Japan

Ihr leicht gesenkter Blick, Ihre Scheu, Ihre Zurückhaltung – was für ein würdevoller Kaiser waren Sie. Kein Jetset-Kaiser, kein Sonnenbad auf Jachten.
Heute übergeben Sie den Chrysanthemen-Thron Ihrem Sohn.

Es ist ein Thron, der 2700 Jahre alt ist. Ihr Geschlecht entstand 660 Jahre vor Christus.
Die Sage erzählt, Sie stammen von der Sonnengöttin Amaterasu ab. Sie sind von daher der höchste Shinto-Priester einer Naturreligion.

Wir blicken in eine fremde Welt. Der scheidende Kaiser muss Rechenschaft ablegen vor seinen Ahnen, was er getan hat. Er trägt Priester-Kostüme inmitten der Millionenstadt Tokio mit Sex und allerlei Scheußlichkeiten. Ja, so etwas gibt es noch. Ein Kaiser, der vor seinen Ahnen beichtet.

Was ich nicht wusste: dass sich das Kaiser-Paar Gedichte schrieb. Über Berlin dichtete die Kaiserin: „Diesen Morgen im Herbst werden wir immer in Erinnerung behalten. Über das
Brandenburger Tor breitete ein neuer Tag sein Licht.“ Über Hiroshima schrieb die Kaiserin: „50 Jahre nach der Bombe fallen auf den Boden von Hiroshima still und sanft Regentropfen.“

Ein Kaiser-Paar tritt zurück. Leise wie ein Grashalm.
Wir werden diesen Grashalm vermissen.

Herzlichst,
Ihr F.J. Wagner

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