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Politik - 13.11.2018

Die Angst vor einemneuen Afghanistan

Die eigenen Einwohner beschreiben ihr Land (das in West-Afrika liegt) als den „Wilden Westen“. Ein Ausdruck, der das fehlende staatliche Gewaltmonopol und die desolate Sicherheitslage in Teilen Malis gut beschreibt.

Das Land, eines der ärmsten weltweit, ist Lichtjahre entfernt vom Frieden. Schon warnen einige, dass es das nächste Afghanistan werden könnte, in dem die Bundeswehr seit 2001 und damit seit nun 17 Jahren im Einsatz ist.

Nun ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (60, CDU) wieder dorthin gereist. Sie bezeichnet Mali als „Teil der europäischen Nachbarschaft, einer Nachbarschaft, die vor unendlich großen Herausforderungen steht“.

Seit 2013 beteiligt sich die Bundeswehr an zwei Missionen in Mali: Im Rahmen einer EU-Trainingsmission bildet sie malische Truppen aus (EUTM, 155 deutsche Soldaten). Am Montag hat sie dafür erneut das Kommando übernommen. Zudem ist sie mit rund 850 Soldaten Teil der rund 12 000 Mann starken UN-Stabilisierungsmission (Minusma) – der zweitgrößte Auslandseinsatz der Bundeswehr (knapp hinter Afghanistan), gilt aber als ihr gefährlichster.

Denn die Lage sei weiterhin „besorgniserregend“, sagte ein malischer Politiker beim Treffen mit von der Leyen. Seit 2015 herrscht Ausnahmezustand. Vor Kurzem wagte sich Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (73) in den Norden des Landes – zum ersten Mal seit Jahren!

Terror im Norden und im Zentrum

Denn in Nord- und Zentralmali sind verschiedenste und teilweise hochtechnisierte Terror- und Rebellen-Gruppen (mitunter ISIS- oder al-Qaida-nahe) unterwegs, die jetzt anfangen, sich zusammenzuschließen.

Die Terror-Gruppen instrumentalisieren dabei gezielt bereits bestehende Konflikte, wie die zwischen ethnischen Gruppen oder die zwischen Nomaden, die mit ihren Viehherden umherziehen, und ansässigen Kleinbauern, die besonders wegen des sich verschärfenden Klimawandels um die Landnutzung streiten.

Die Milizen nutzen dabei die Schwäche des Staates im Norden und im Zentrum aus, um sich unbehelligt im Vakuum staatlicher Kontrollmacht auszubreiten.

Fehlende staatliche Kontrolle

Denn ein Problem ist die Größe des Landes. Mali misst mehr als eine Million Quadratkilometer – 3,5 mal so groß wie Deutschland – und ist teilweise sehr dünn besiedelt.

Der Staat ist nicht flächendeckend präsent. In weiten Teilen spielt er schlicht „fast gar keine Rolle“, sagte CDU-Außenexperte Matern von Marschal (56).

Viele machen auch den fehlenden Willen der Regierung in Bamako verantwortlich, die sich nur für den Süden und die dortigen großen Städte interessieren würde.

Im Norden und im Zentrum fehlt es an staatlichen Institutionen, Verwaltung und Infrastruktur wie Schulen, Straßen. Die örtliche Bevölkerung fühlt sich vernachlässigt.

„Daher war es so wichtig, dass der Präsident mal wieder in den Norden gereist ist, um Präsenz zu zeigen und ein Zeichen zu setzen: Wir haben euch nicht vergessen“, sagte ein Mali-Experte vor Ort.

Ethnische Zersplitterung, schlechte Ausrüstung und Bevölkerungswachstum als Sprengstoff

Denn diese Zweiklassen-Politik und die vielen konkurrierenden Akteure, die ethnische Zersplitterung und die vielen unterschiedlichen Interessenschwerpunkte gefährden nicht nur den Frieden, sondern auch den sozialen Zusammenhalt und die Einheit des Landes.

Die fehlende staatliche Kontrolle eröffnet außerdem nicht nur Islamisten das Spielfeld, sondern auch kriminellen Schleuserbanden, die die Region als Transitzone für illegale Migration nutzen.

Weitere Probleme sind die schlechte Ausrüstung der malischen Armee (teilweise fehlt es an Grundlegendem wie Helmen, Schutzwesten) und das fehlende Vertrauen der Bevölkerung in den nationalen Sicherheitsapparat. Nicht zuletzt Menschenrechtsverletzungen – begangen durch malische Soldaten – haben dieses Vertrauen erschüttert.

Das exorbitante Bevölkerungswachstum (geschätzt drei Prozent) und die schlechte Ausbildung (hohe Analphabeten-Rate) birgt zudem Sprengstoff.

  • Einsatz in Mali

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„Wir brauchen langen Atem“

Der Satz, der sich wie ein Refrain durch diese Reise zieht: „Wir brauchen einen langen Atem“, ein Satz, den man bislang mit Blick auf das Engagement in Afghanistan kennt. Dort ist die Bundeswehr seit 2001 (als Folge der Terroranschlägen vom 11. September) aktiv. Jetzt 17 Jahre.

Dass auch Mali ein solches Langzeitprojekt ist, darin sind sich alle Gesprächspartner hier vor Ort einig.

„Es gibt nicht die eine schnelle Lösung. Es ist ein langer Weg und keineswegs ausgemacht, dass sich das Land stabilisiert“, sagte von Marschall.

„Die Regierung muss endlich zeigen, dass sie entschlossen ist, auch in den entlegenen Regionen für Ordnung zu sorgen“, forderte er.

Es gäbe aber einen Unterschied zu Afghanistan: „Wenn Mali ins Chaos stürzt, müssen wir mit neuen Flüchtlingskrisen rechnen. Deshalb müssen wir uns weiter engagieren“, sagte er.

Malis zentrale Lage in der Sahel-Region macht das 20-Millionen-Einwohner-Land mit seinen sieben Nachbarländern strategisch besonders wichtig für die internationale Gemeinschaft. Kippt Mali, drohen Überschwappungseffekte in alle Himmelsrichtungen.

Weil der Terror nicht an nationalen Grenzen endet, baut Mali aktuell mit Burkina Faso, Niger, Tschad und Mauretanien die G5-Sahelzonen-Einsatztruppe auf. Diese soll irgendwann 5000 Mann stark sein und grenzübergreifend agieren. Allerdings hakt die Finanzierung. Auch hier gehen Experten davon aus, dass es ein längeres Projekt wird. „Das dauert mindestens fünf Jahre bis diese Truppe steht.“

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