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Politik - 20.03.2019

China-Lobbyisten fordern Ende deutscher Werte-Politik

Unterstützt China einen Lobby-Verband, der deutsche Politiker von ihren Bedenken gegen Chinas aggressive Wirtschaftspolitik und eklatante Menschenrechtsverletzungen abbringen soll?

Am 29. März findet in Bremen die offizielle Gründungsveranstaltung des „Bundesverbands Deutsche Seidenstrassen Initiative e.V.“ (BVDSI) statt. Der Verband arbeitet nach eigenen Angaben „seit gut eineinhalb Jahren bereits inoffiziell für Deutschland und seine mittelständische Wirtschaft“.

Ziel des Verbandes: „Die Aufmerksamkeit der deutschen und europäischen Politik gezielt auf die positiven Aspekte der OBOR-Initiative zu lenken.“ Gemeint ist die „Initiative der chinesischen Regierung zur Wiederbelebung der Seidenstraße von China bis nach Europa“, erklärt der Verband auf seiner Homepage.

Klassische Lobby-Arbeit, so scheint es. Doch der Verband sieht das anders.

Verbandssprecher Hans von Helldorff zu BILD: „Der BVDSI sieht sich als Kompetenzplattform, ausdrücklich nicht als Kompetenzzentrum, für die Sicherstellung der Interessen der deutschen, mittelständischen Wirtschaft in den Volkswirtschaften entlang der neuen Seidenstrassen.“

Druck auf die Politik macht der Verband trotzdem. Verbandssprecher von Helldorff forderte am Montagabend in den „Tagesthemen“ der ARD Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesaußenminister Heiko Maas auf, die deutsche „Blockadepolitik“ gegen Chinas Wirtschaftsprojekt „Neue Seidenstraße“ aufzugeben. Andernfalls werde Deutschland zum „Zaungast“ und von wirtschaftlichen Prozessen abgeschnitten.

Auf einer Veranstaltung Anfang März wurde von Helldorff noch deutlicher. Die „deutschen Eliten“, sagte von Helldorff, seien „ohne Wenn und Aber denkfaul“ geworden. Der BVDSI wolle, „dass Deutschland und die EU aufwachen und die gegenwärtige Politik der Zurückhaltung und die Politik der Konfrontation durch eine Politik der Kooperation ersetzen“. Die „einseitige Werte- und Westorientierung“ Deutschlands habe schon in der Vergangenheit „zu keinem sinnvollen Ergebnis geführt“. Jüngstes Beispiel seien die Sanktionen gegen Russland aufgrund der Annexion der Krim. Dies sei eine „lächerliche Position“.

BILD fragte den BVDSI-Sprecher, was er damit meine, Deutschland müsse seine Werte-Orientierung in Bezug auf China und andere Autokratien aufgeben. Von Helldorff erklärte daraufhin, die Bundesregierung habe die Aufgabe, investitionswillige deutsche Unternehmen in diesen Ländern sowie die Staaten selbst zu unterstützen.

„Diese Unterstützung mit dem Hinweis zu verwehren, in diesen Ländern gäbe es nicht den gewünschten Standard an Demokratie bzw. an Menschenrechten ist komplett kontraproduktiv.“

Gefragt, ob der BVDSI direkt oder indirekt von staatlichen chinesischen Geldern profitiere, wiegelte der Sprecher des Verbands ab: „Der BVDSI finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Veranstaltungsgebühren, soweit dies im Rahmen unserer Gemeinnützigkeit möglich ist. Wir erhalten keinerlei Unterstützung von staatlicher Seite, weder aus Deutschland, noch aus China, noch von sonst irgendwoher!“

Kooperationspartner mit Verbindungen nach China

Dem widersprach auf BILD-Anfrage eine Sprecherin der in der Schweiz ansässigen InterRail Holding AG, die vom BVDSI als Kooperationspartner aufgeführt wird. Sie erklärte: „InterRail Europe GmbH, eine Tochtergesellschaft der schweizerischen InterRail Holding AG, hat als Kleinsponsor eine Veranstaltung des Bundesverbands Deutsche Seidenstrasse e.V. zum Thema ‚Kasachstan, neuer Wirtschaftsraum‘ unterstützt.“

Zwar ist das Schweizer Logistikunternehmen nach eigenen Angaben „ausschließlich privat finanziert und erhält weder Teil- noch Ganzfinanzierungen aus öffentlichen/staatlichen chinesischen Geldern“. Allerdings fungiert InterRail unter anderem als Generalvertreter für das staatliche chinesische Eisenbahnunternehmen CRCT und wickelt für diese Container-Züge zwischen China und Europa ab. 2016 erwirtschaftete man insgesamt 220 Millionen Euro.

Als weiteren Kooperationspartner listet der BVDSI die Wiesbadener Denkfabrik „Diplomatic Council“.

Im Vorstand dieser Institution sitzt Shi Mingde, Chinas Botschafter in der Bundesrepublik. BILD fragte bei „Diplomatic Council“ nach, welche Rolle Shi in der Denkfabrik übernimmt. Die Antwort: „Der Botschafter ist seit Längerem nicht mehr aktiv, auch wenn er dem Gremium angehört. Sein letzter öffentlicher Auftritt auf einem DC-Event war zum Sommerfest im Jahr 2016.“ In der „Über uns“-Sektion der Denkfabrik posiert Shi allerdings bis heute in zentraler Postion.

Darüber hinaus erhalte die Denkfabrik kein Geld aus China und habe „keinerlei finanzielle oder sonstige Hilfe für den BVDSI geleistet und wird das auch künftig nicht tun“.

Unabhängig, trotz chinesischen Segens?

Chinas Botschafter Shi traf sich bereits 2018 mit der Spitze des neuen Lobby-Verbands BVDSI. Zu Shis Haltung zum Verband hieß es damals: „Deshalb begrüße er außerordentlich die Gründung des BVDSI und sicherte jede Unterstützung zu, die dieser Vertrauensbildung dienen könnte.“

Noch klarer drückt sich Shi Mingde auf der Homepage des BVDSI aus. Dort wird er selbst mit den Worten zitiert: „Die chinesische Seite begrüßt die Gründung des BVDSI und unterstützt dessen Ziele, sowie Aktivitäten und hofft, dass beide Seiten mit vereinten Kräften eine noch engere Zusammenarbeit entfalten.“

Der Verband erklärte dazu auf BILD-Anfrage: „Der BVDSI ist in ständigem Kontakt mit der chinesischen Botschaft und den Generalkonsulaten oder anderen staatlichen bzw. halbstaatlichen Organisationen aus China.“ Gleichzeitig betonte man seine „totale Unabhängigkeit“ von chinesischen Stellen.

Unterstützt ein Bundesministerium den Verband?

Ein weiterer Aspekt in der Selbstdarstellung des Verbands wirft Fragen auf.

Auf der Startseite des BVDSI prangt eine große Unterstützungsbekundung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und Bundestagsabgeordneten Enak Ferlemann (CDU). Dieser wird mit den Worten zitiert: „Ich begrüße deshalb die Ziele des BVDSI außerordentlich. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern insbesondere auch vor dem Hintergrund des kulturellen Austausches der Volkswirtschaften an der Neuen Seidenstraße.“

Doch im BMVI gibt man sich überrascht. Gefragt, welche Verbindungen der Staatssekretär und das Ministerium zum neuen Verband hätten, lautet die Antwort aus dem Ministerium an BILD: „Es gibt keine Verbindung. Herr Ferlemann ist als Grußwortredner für eine Veranstaltung angefragt worden. Dieses Grußwort hat er abgelehnt.“

Ein sofortiges Ende der Russland-Sanktionen oder ein Ende der Werte orientierten Außen- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, wie es Verbandssprecher von Helldorff fordert, „unterstützt Herr Ferlemann ausdrücklich nicht“, sagte ein Ministeriumssprecher zu BILD.

Experte: Wirtschaftliche Rhetorik ist Deckmantel für Einfluss-Kampagne Chinas

Martin Hala, Direktor des tschechischen „Sinopsis“-Projekts, das sich mit dem Einfluss Chinas auf die europäische Politik beschäftigt, glaubt, dass die Aktivitäten des BVDSI im Rahmen einer weit gestreckten staatlichen chinesischen Kampagne in Europa betrachtet werden sollten.

„Außerhalb ihrer Grenzen verbreitet die Kommunistische Partei Chinas ihren Einfluss und ihre Propaganda mithilfe Dritter, typischerweise lokaler Persönlichkeiten und Organisationen, die über ‚freundschaftliche Kontakte‘ an einer Taktik beteiligt sind, die als ‚Einheitsfront‘ bekannt ist“, erklärte Hala gegenüber BILD.

Die ausländischen Personen und Organisationen, die mit diesem System beschäftigt seien, ähnelten „Lenins sprichwörtlichen ‚nützlichen Idioten‘ und tragen dazu bei, die Botschaften der Kommunistischen Partei in verschiedenen Formen und auf verschiedene Weise im Ausland zu verbreiten, abhängig von ihrer jeweiligen Position und ihren Kontakten“. Die auch beim BVDSI genutzte rein wirtschaftliche Rhetorik biete „einen Deckmantel für die Vereinnahmung politischer Akteure und manchmal sogar für die Ausbreitung von Korruption“.

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