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Wirtschaft - 12.12.2018

Wie wird Europas Energie klimaneutral?

Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Damit verbunden ist der komplette Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Kann das gelingen? Ja, sagen Experten. Energie wird nicht teurer und es gibt sogar mehr Jobs.

Für viele Menschen ist ein Leben ohne fossile Energien bislang nicht vorstellbar. Wie soll man ohne Öl oder Gas heizen, wie soll dann Verkehr oder Fliegen funktionieren? 

Den meisten Menschen ist mittlerweile aber auch klar, dass die Nutzung von Kohle, Öl und Gas schnellstmöglich beendet werden muss, um die Klimaerwärmung und die damit verbundenen Folgen wie vermehrte Wetterextreme zu stoppen. Noch sei dieses Ziel möglich, heißt es im aktuellen UN-Report und im Bericht des Weltklimarates. Nur zögern dürfe man jetzt nicht mehr.

„Der Klimaschutz ist eine Frage von Leben und Tod“, warnte UN-Generalsekretär António Guterres auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz.

Wie lassen sich Kohle, Öl und Gas ersetzen?

Die Stromversorgung aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft ist inzwischen kein Hexenwerk mehr. Entscheidend ist der richtige Mix je nach Wetterlage und Region sowie Batterien – und als Langzeitspeicher Power-to-Gas. Hierbei wird aus Strom und Wasser Wasserstoff hergestellt. Dieser lässt sich speichern und im Verkehr oder in der Industrie verwenden. Unter der Zugabe von CO2 aus der Luft lassen sich aber auch synthetische Kraftstoffe herstellen und damit fossiles Erdgas und Ölprodukte wie beispielsweise Kerosin ersetzen.

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Mit diesen etablierten Techniken lassen sich die fossilen Energien ersetzen. Wie das bis 2050 in Europa gehen könnte, errechnete jetzt ein Team von 14 Wissenschaftlern um Christian Breyer von der Lappeenranta University of Technology in Finnland und Hans-Josef Fell von der Energy Watch Group in einer Studie.

Europas Energie fast nur aus Sonne und Wind

Die Forscher fütterten ihre Hochleistungsrechner in Finnland mit allen verfügbaren Daten, vom Wetter in den Regionen, vom stundengenauen Energiebedarf in Europa sowie den Kosten für alle Energien und Speichertechnologien. „Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem“, sagt Hans-Josef Fell. Die Studie zeige, dass sich Europa auf ein emissionsfreies Energiesystem umstellen kann. „Deshalb sollten die europäischen Politiker viel mehr für den Klimaschutz tun, als derzeit anvisiert.“

Die Studie zeigt auf, dass eine sehr große Elektrifizierung für die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung erforderlich ist. Im Vergleich zu heute würde die Stromerzeugung auf das Vier- bis Fünffache bis 2050 ansteigen und dann mehr als 85 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Europa decken. In Europa insgesamt würde der Strombedarf demnach vor allem von Solarenergie (62 Prozent) gedeckt, gefolgt von Windkraft (32 Prozent), Wasserkraft (vier Prozent), Bioenergie (zwei Prozent) und Geothermie (unter einem Prozent).

Die Kosten dieser klimafreundlichen Energieerzeugung wären laut Breyer nicht teurer als heute. Zugleich würden die Treibhausgasemissionen im Energiesektor aber wie gewünscht auf Null bis 2050 gesenkt. „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die aktuellen Ziele des Pariser Klimaabkommens beschleunigt werden können und sollten“, so Breyer. „Eine Wende hin zu 100 Prozent sauberen, erneuerbaren Energien ist sehr realistisch – schon jetzt, mit den heute verfügbaren Technologien.“

Mehr Jobs durch erneuerbare Energie

Durch den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gehen zwar Arbeitsplätze in der fossilen Industrie verloren. Auf der anderen Seite entstehen aber neue Jobs in den umweltfreundlichen Technologien. Die EU-Kommission rechnet hier unter dem Strich mit einem positiven Job-Effekt. Die Studie von LUT und Energy Watch Group sieht einen Zuwachs von rund einer Million Jobs bis 2050 in der Branche. Das wären im Vergleich zu heute mehr als 30 Prozent zusätzliche Arbeitsplätze.

„Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass eine klimaneutrale Energieversorgung in Europa zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien technisch und ökonomisch noch vor dem Jahr 2050 möglich ist“, sagt Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. „Nur wenn wir den in der Studie aufgezeigten Weg gehen, werden sich die Pariser Klimaschutzziele einhalten und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen lassen.“ Die Politik sei jetzt gefordert, „endlich die nötigen Weichen für einen erfolgreichen Klimaschutz zu stellen und den Ausbau erneuerbarer Energien signifikant zu beschleunigen.“

Mit wegweisender Politik zur Klimaneutralität

Den volkswirtschaftlichen Gewinn durch den Umbau des Energiesystems für Europa betrachtete die Studie nicht. Laut EU-Klimakommissar Arias Cañete würden mit einem sauberen Energiesystem jedoch Gesundheitskosten von rund 200 Milliarden Euro pro Jahr in Europa eingespart. Hinzu komme die Einsparung von Energieimporten von derzeit rund 266 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Autoren der Studie empfehlen der Politik den Umbau zu emissionsfreien Technologien mit entsprechenden Anreizen kräftig zu stimulieren. Dazu gehöre die Abschaffung von Subventionen und Steuervergünstigungen für Kohle und fossile Brennstoffe, die Integration von Umweltschäden mit Steuern auf CO2 und Brennelemente sowie feste Einspeisevergütungen für Investoren.

„Die Einspeisevergütung ist ein ganz wesentliches Element, damit der Umbau schnell gelingt“, betont Fell gegenüber der DW. „Nur wenn der Investor die Garantie hat, dass sich zum Beispiel das Windrad durch die Einspeisevergütung sicher refinanziert, bekommt er von der Bank auch den Kredit. Diese Sicherheit ermöglicht viele private Investitionen und ist wichtig für den Schub von klimafreundlichen Energien.“


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    Autorin/Autor: Gero Rueter


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