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Wirtschaft - 30.05.2019

Supermarkt der Zukunft: Walmart startet Roboter-Offensive

Der amerikanische Einzelhändler Walmart lässt immer mehr Roboter für sich arbeiten. Die automatisierten Helfer sollen Mitarbeiter entlasten und Kosten senken. Belegschaft und Gewerkschaften sind alarmiert.

Für Elizabeth Walker ist es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. „Jeder Held braucht einen Helfer“, schreibt die Brand-Managerin, als sie Anfang April verkündet, dass ihr Arbeitgeber Walmart in Zukunft auf Roboter setzt. Mensch und Maschine, dass sei wie Luke Skywalker und R2D2, die Hauptfiguren der berühmten Star-Wars-Trilogie. „Die richtige Form der Unterstützung hilft unseren Mitarbeitern, im Job erfolgreich zu sein.“
Die amerikanische Supermarkt-Kette Walmart ist eines der ersten Unternehmen, das den automatisierten Vorstoß im Einzelhandel wagt. Seit einigen Wochen testet der Handelsriese verschiedene Formen von Robotern, die den Mitarbeitern unter die Arme greifen sollen. Während der regulären Öffnungszeiten rollen die stillen Gehilfen durch die Gänge, scannen die Regale, wischen die Böden und melden sich, sollte ein Artikel am falschen Platz stehen. „Hier geht es nicht um eine Fantasie-Welt“, sagt Walker, „sondern darum, Kunden im echten Leben Zeit und Geld zu sparen.“

Zwei Milliarden Dollar für die Effizienz
Die automatisierten Helfer sind Walmarts neuste Waffe, um im Kampf gegen Online-Händler wie Amazon und Alibaba bestehen zu können. 11.000 Läden betreibt der Handelsriese weltweit, knapp die Hälfte davon in den USA. 90 Prozent der Amerikaner wohnen nicht weiter als zehn Kilometer entfernt vom nächsten Walmart und genau das war lange der unschlagbare Vorteil, um der Konkurrenz aus dem Internet standzuhalten. Doch seit immer mehr Kunden online shoppen und die Betriebskosten der im Schnitt 17.000 Quadratmeter großen Supercenter kaum noch zu refinanzieren sind, zwingt sich Walmart zur automatisierten Revolution.

Walmart sagt, die Roboter sollen den Angestellten helfen, statt sie zu ersetzen

Zwei Milliarden Dollar hat der Einzelhandelsriese vergangenes Jahr investiert, um seine Märkte landesweit auf Effizienz zu trimmen. Ein Großteil des Geldes floss in die Automatisierung, die die Prozesse in den Filialen optimieren soll. Die Roboter – derzeit werden knapp 4000 Stück in US-Filialen verteilt – arbeiten mehr als doppelt so schnell wie ihre menschlichen Kollegen, in Einzelfällen sogar noch schneller: Inventuren, für die Mitarbeiter normalerweise zwei Wochen brauchen, erledigen die Maschinen in gerade mal zweieinhalb Stunden. Reinigungskräfte benötigt man jetzt nur noch für schwer zugängliche Stellen.

Beim Ausladen der Waren aus dem LKW helfen ab sofort Ladebänder. Statt acht Mitarbeiter braucht es bei der Frachtannahme so nur noch vier und das sei auch gut so, argumentiert Walmart. Schließlich gehe es vor allem darum, den Mitarbeitern lästige und eintönige Arbeit abzunehmen. „Der Schritt in die Zukunft ist vor allem ein Schritt in Richtung zufriedenerer Mitarbeiter“, sagt Brand-Managerin Walker.

Gewerkschaften schlagen Alarm

Für Gewerkschaften wie der United Food and Commercial Workers International Union (UFCW), Amerikas größter privater Organisation, ist diese Argumentation blanker Hohn. Bereits in der Vergangenheit hatten Arbeitnehmerverbände die Arbeitspraktiken des Handelsriesen gerügt, der immer wieder mit Niedriglöhnen, Sabotage von Arbeitervertretungen, dem fragwürdigen Umgang mit Krankheitstagen und der zunehmenden Anzahl von Halbtagskräften Schlagzeilen macht. „Täuschen Sie sich nicht“, warnte der Arbeitnehmerverband deshalb im Dezember: „Walmart geht es nicht darum, Arbeitnehmer oder Kunden glücklicher zu machen“.

Vorbereitung des Reinigungs-Assistenten

Bis zu 5000 Stellen könnten durch die Automatisierung bei Walmart wegfallen, rechnet UFCW vor. Die Roboter seien damit absolute Job-Killer und keine Zufriedenheits-Garanten. Die zunehmende Anzahl von Halbtagskräften sorge zudem dafür, dass Mitarbeiter immer mehr arbeiten müssten, sagt Andrea Dehlendorf, Co-Direktorin der Organization United for Respect (OUR) bei Walmart. „Nicht eine einzige Person, mit der ich gesprochen habe, sagt, dass ihre Arbeit nun leichter wäre.“

Michael Dastugue, US-Finanzvorstand bei Walmart, macht aus den Jobverlusten keinen Hehl. „Durch unsere Weiterentwicklung wird es sicherlich einige Aufgaben und Stellen geben, die wegfallen werden“, sagte er bei einer Analysten-Konferenz im März. Angestellte müssten aber nicht um ihre Beschäftigung fürchten, man würde sie einfach anderweitig einsetzen. „Wir müssen alle flexibler werden und lernen, mit dem Wandel umzugehen.“

„Aufregendste Zeit im Einzelhandel“

Genau davor aber fürchten sich viele Mitarbeiter, denn nicht jeder kann so flexibel sein, wie es Walmart gerne hätte. Besonders betroffen sind Beschäftigte im Niedriglohnsektor, in dem die Automatisierung besonders stark zuschlägt. Rund 3,4 Millionen Menschen arbeiten nach Angaben von UFCW allein in den USA als Kassierer – Stellen, die durch automatisierte Kassen, bei denen der Kunde seine Ware selbst scannt, schon jetzt immer mehr wegfallen.

Ein Clean-Robot bei der Arbeit

Fortbildungen und Schulungen sind zwar eine Möglichkeit, um sich von den Robotern zu differenzieren. Aber nicht jeder habe das Talent, anspruchsvolle Arbeit verrichten zu können und eine Karriere im Silicon Valley zu machen, argumentiert UFCW.

Experten wie Sterling Hawkings sehen in Walmarts Vorstoß dennoch einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft. „Wir erleben gerade die aufregendste Zeit im Einzelhandel seit mehr als 100 Jahren“, sagt Hawkins, der am „Center for Advancing Retail & Technology“ forscht, dem Magazin „Forbes“. Anders als in der Logistik-Branche oder der Produktion seien Dinge wie Automatisierung, künstliche Intelligenz und Robotik erst jetzt im Handel alltagstauglich und einsetzbar. „Endlich ist die Technologie an einem Punkt, wo sie sich technisch und wirtschaftlich für die Unternehmen rechnet.“

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