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Wirtschaft - 15.05.2019

NS-Gedenkstätte bietet Keks-Erbin Nachhilfe an

Seit Tagen diskutiert Deutschland über die Skandal-Sätze von Keks-Erbin Verena Bahlsen (25) – jetzt schaltet sich die Wissenschaft ein!

Hintergrund: Verena Bahlsen hatte eine Rede gehalten, in der sie sich freute, dass ihr „ein Viertel von Bahlsen“ gehöre. Weiter sagte sie, dass sie „Geld verdienen und mir Segel-Jachten kaufen“ wolle. Dafür hagelte es Kritik, da das Unternehmen Bahlsen in der NS-Zeit von Zwangsarbeit profitiert hatte und die Erbin jegliche Demut vermissen ließ.

In BILD legte Bahlsen dann nach: „Das war vor meiner Zeit und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.“ Bahlsen habe sich „nichts zuschulden kommen lassen“.

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Damit brach ein Sturm der Empörung los. Leser und Politiker warfen der Bahlsen-Erbin ein mangelndes Geschichtsbewusstsein vor und kritisierten, dass sie mit solchen Aussagen das Leid der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs verharmlose.

Jetzt schaltet sich das renommierte Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin ein – und lädt Verena Bahlsen in die Gedenkstätte ein! Nicht zum Kekse essen, sondern um Geschichte zu pauken.

»Als Firmenerbin hat sie eine Verantwortung

„Ich lade Frau Bahlsen in das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit ein und würde mich freuen, mit ihr über das Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Berlin-Schöneweide und in die Ausstellungen zu gehen. Dort zeigen wir den Alltag und die Behandlung der verschiedenen Zwangsarbeitergruppen, die während des Krieges in allen Branchen und allen Bereichen der NS-Gesellschaft eingesetzt waren“, sagte Dr. Christine Glauning, die Leiterin des Dokumentationszentrums, zu BILD.

Die Zwangsarbeit-Expertin erklärt: „Frau Bahlsen ist Erbin eines großen und bekannten deutschen Unternehmens, dessen Erfolg nach 1945 auch dem Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern während des Krieges geschuldet war. Als kriegswichtig eingestuft, konnte Bahlsen sein Kerngeschäft mit der Produktion von Wehrmachtsverpflegung fortführen – das gelang nicht vielen Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie.“

Obwohl Verena Bahlsen die Zeit selbst nicht miterlebt habe, habe sie „als Firmenerbin eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die bei Bahlsen gearbeitet haben – oder arbeiten mussten“.

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Dr. Glauning geht auch mit Bahlsens Behauptung, dass die Zwangsarbeiter den gleichen Lohn erhielten wie die deutschen Arbeiter, hart ins Gericht. Vor allem die Zwangsarbeiter aus Osteuropa „waren in allen Betrieben und in allen Belangen schlechter gestellt als die deutschen Arbeitskräfte – der Willkür in den Lagern aber auch in den Betrieben ausgeliefert. Und selbst der Lohn, der ihnen eigentlich zustand, verringerte sich durch Abgaben für die schlechte Unterbringung und das miserable Essen“.

Auch der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete US-Wissenschaftler Guy Stern (97) kritisierte die Aussagen der Bahlsen-Erbin zur Zwangsarbeit. „Das schwerwiegende Wort dabei ist nicht ,arbeiten‘, das schwerwiegende Wort dabei ist ,Zwang‘. Das ist eine psychologische Erniedrigung – das sind Fesseln, die jemandem auferlegt werden“, sagte Stern am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

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Schmallippige Bahlsen-Chronik

Ein Blick in die von Bahlsen selbst erstellte Unternehmenschronik zeigt, dass nicht nur die junge Erbin die Einladung des Dokumentationszentrums wahrnehmen sollte.

Auch dort heißt es, dass Zwangsarbeiter selbstverständlich die „gleiche Bezahlung wie deutsche Arbeiter“ erhielten. Es ist von „guter Behandlung“ die Rede – die Verschleppung der Arbeiterinnen oder ihre Unterbringung in Baracken wird jedoch nicht erwähnt.

Auf BILD-Anfrage teilte Bahlsen am Montag mit, dass bereits in den 60er-Jahren „umfassende Untersuchungen zur Zwangsarbeit im Unternehmen vorgenommen“ wurden. Konkrete Ergebnisse konnte das Unternehmen BILD nicht nennen.

Als einige der Frauen 1999 auf Entschädigung klagten, wies die deutsche Justiz die Klagen wegen Verjährung ab. Bahlsen überwies 2000 und 2001 anderthalb Millionen D-Mark an die Stiftung der deutschen Wirtschaft für die Entschä­di­gung ehema­liger Zwangs­ar­beiter.

Ein Sprecher von Bahlsen sagte am Montag zu BILD: „Das Unternehmen ist sich bewusst, welch großes Leid und Unrecht den Zwangsarbeitern sowie vielen anderen Menschen damals widerfahren ist und erkennt hierin seine historische und moralische Verantwortung.“

Nach eigenen Angaben beschäftigte das Keks-Imperium zwischen 1942 und 1945 rund 200 Zwangsarbeiter, vor allem Frauen aus Osteuropa. 1999 berichteten ukrainische Zeitungen über die Arbeitssklavinnen von Bahlsen. Die Kiewer Frauen seien in ihrer Heimat abgeholt, in Viehwaggons verladen und ins rund 1500 Kilometer entfernte Hannover gebracht worden. Viele mussten ihre Familien und sogar Kinder zurücklassen – manche waren nicht einmal volljährig.

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