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Wirtschaft - 17.03.2019

»Lohn-Dumping geht gar nicht

Seit Wochen herrscht zwischen den Discounter-Riesen Aldi und Lidl ein Preiskampf. Trotzdem will Lidl jetzt freiwillig das Einstiegsgehalt für seine Mitarbeiter erhöhen. BamS sprach mit Deutschland-Chef Matthias Oppitz (41), warum ihm das so wichtig ist.

BILD am SONNTAG: Herr Oppitz, die SPD fordert seit Langem einen höheren Mindestlohn. Sie wollen jetzt das Einstiegsgehalt bei Lidl von 12 auf 12,50 Euro pro Stunde anheben. Wieso marschiert ein Discounter plötzlich Seite an Seite mit der SPD?

Matthias Oppitz: „Wir orientieren uns nicht an einzelnen Parteien. Wir haben bereits vor zehn Jahren den Mindestlohn eingeführt. Damals waren es zehn Euro. Jetzt gehen wir den nächsten Schritt.“

Wie viele Mitarbeiter betrifft die Erhöhung?

Oppitz: „Wir haben rund 79 000 Mitarbeiter, davon betrifft die Erhöhung rückwirkend zum 1. März weniger als 2000. Die meisten arbeiten im Verkauf, aber auch in der Logistik. Die 12,50 Euro gelten dann für Gelernte wie für Ungelernte.“

Was kostet Sie das alles?

Oppitz: „Das ist für uns ein überschaubarer Betrag. Uns ist es aber wichtig, dass unser Einstiegsgehalt attraktiver ist als der gesetzliche Mindestlohn.“

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Für immer mehr Konzerne werden Nachhaltigkeit oder faire Löhne wichtiger. Entdeckt die Wirtschaft plötzlich ihr soziales Gewissen?

Oppitz: „Für uns ist es keine Modeerscheinung. Wir zahlen seit zehn Jahren über dem gesetzlichen Mindestlohn. Und im Einzelhandel ist das eher eine Ausnahme. Nur noch circa 40 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel arbeiten in tarifgebundenen Unternehmen. Wir halten die Entwicklung für falsch. Lohn-Dumping geht gar nicht.“

Machen Sie das nicht eher, weil sonst Arbeitskräfte fehlen?

Oppitz: „Natürlich ist das ein Thema. Das treibt uns um. Wenn Unternehmen aber immer weiter in die Tarifflucht abdriften, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir Personalmangel haben. Am Ende des Tages geht es darum, dass wir in unserer Branche attraktive Arbeitsbedingungen haben.“

Die damit zusammenhängenden Mehrkosten müssen Unternehmen aber erst erwirtschaften. Und im Einzelhandel sieht man wie aktuell im Kampf zwischen Aldi und Ihnen, dass die Preise eher nach unten gehen. Können sich Tariflöhne am Ende doch nur die Großen leisten wie Sie?

Oppitz: „Wir haben in Deutschland großen Wettbewerb. Wenn sich auf der Preisseite was ändert, halten wir nicht nur dagegen, sondern profilieren uns auch. Auf der anderen Seite wollen wir aber dafür Sorge tragen, dass unsere 79 000 Mitarbeiter einen fairen Lohn erhalten. Und da haben wir einen Prozessvorteil durch unser Discount-Modell.“

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Müssen wir dann nicht aber irgendwann auch eher höhere Preise befürchten? Oder dass es zulasten der Lieferanten geht?

Oppitz: „Nein.“

Sollte es Ihrer Ansicht nach einen allgemeinen Mindestlohn von zwölf Euro geben, wie ihn die SPD fordert?

Oppitz: „Da kann und will ich nicht für alle sprechen. Laut der Statistik verdienen 17 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland unter 2000 Euro im Monat. Das finde ich alarmierend, weil es schwierig ist, von diesem Gehalt eine Familie zu ernähren. Wir gehen jetzt bei unserem Einstiegslohn hoch auf 12,50 Euro und stellen so sicher, dass bei Vollzeitbeschäftigung über 2000 Euro brutto im Monat bezahlt werden. Wir wollen eben nicht mit Lohn-Dumping in Verbindung gebracht werden. Wir stehen für faire Löhne, für faire Arbeitsbedingungen.“

Vor zehn Jahren war Ihr Image schlechter. Damals wurde bekannt, dass Mitarbeiter ausspioniert und unter Druck gesetzt wurden. Da könnte man auf die Idee kommen, die Lohnanhebung ist lediglich eine PR-Kampagne.

Oppitz: „Genau das ist es nicht. Es ist eine kontinuierliche Arbeit, die wir seit Jahren leisten – und die wir jetzt fortsetzen. Wir zahlen neben dem Einstiegsgehalt eine Lidl-Zulage von 20 Cent die Stunde. Dazu gibt es das tarifliche Weihnachts- und Urlaubsgeld. Unsere 3200 Filialleiter bekommen alle einen Dienstwagen. Wir haben uns in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelt.“

Aber Betriebsräte haben Sie noch immer nicht.

Oppitz: „Wir haben Betriebsräte in einzelnen Filialen oder Regionalgesellschaften, mit denen wir gut zusammenarbeiten. Wenn wir als Management einen guten Job machen und mit unseren Mitarbeitern gut zusammenarbeiten, wenn wir attraktive Anstellungsbedingungen haben – dann glaube ich, sind flächendeckende Betriebsräte nicht unbedingt notwendig.“

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