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Wirtschaft - 06.12.2018

Angestellte in der Startup-Garage

Um mehr Kreativität aus den Mitarbeitern herauszukitzeln, geben ihnen Konzerne und große Familienunternehmen neuerdings nicht einfach eine Prämie für innovative Produkte, sondern unternehmerische Freiheiten.

Ein Ort für kreative Köpfe bei der Firma Trumpf

Bunte Möbel und Freiraum für Kreativität: Im ehemaligen Industrieareal „Urban Harbor“ in Ludwigsburg hat Maschinenbauer Trumpf Räume für ein Dutzend potentieller Gründer und zwei Coaches gemietet. Betriebsangehörige dürfen hier in der Hälfte ihrer Arbeitszeit eigene Geschäftsideen verfolgen. „Internehmertum“ nennt sich das Programm, aus dem bereits zwei Spin-offs hervorgegangen sind. „Wir möchten damit den Innovationsgeist in unserer Belegschaft weiter fördern, aber auch neues Geschäft für Trumpf entwickeln“, so Christof Seibert, Leiter Technologie- und Innovationsmanagement.

Ausgründungen gab es auch davor. Beispielsweise Axoom: Die Tochter ist seit kurzem auf dem Markt, Trumpf ist Pilotkunde. Axoom aggregiert Produktionsdaten aus Maschinen und stellt Apps für die optimierte Nutzung der Anlagen bereit. „Internehmertum“ soll nun die Entwicklung von Ideen zu Geschäftsmodellen und ihrer Validierung anhand Methoden wie Lean Startup und Business Modell Canvas standardisieren, erklärt Pressesprecher Manuel Thomae. Ein Fachgremium bewertet die Projektskizzen. Die Auserwählten ziehen in Urban Harbor ein und entwickeln zunächst drei Monate weiter. Danach gibt die Jury entweder grünes Licht, den Startup fortzuführen oder der Mitarbeiter kehrt auf seine ursprüngliche Position zurück.

Zurück in die Garage

Der legendäre Apple-Gründer Steve Jobs soll solche Intrapreneure als Leute bezeichnet haben, die zurück in eine Garage gehen, allerdings innerhalb eines großen Unternehmens. Zwar arbeiten nur 22 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten mit diesem Konzept und noch weniger der KMU, wie eine Studie vom Digitalverband Bitkom zeigt. Aber die Gewerkschaften fürchten schon, dass künftig mehr kleine wendige Einheiten als Schnellboote neben den Riesentankern entstehen  – und aus der Tarifbindung ausfallen. Um dem vorzubeugen, könnte es auch hier Extras geben. Als Vorreiter gilt der neue Tarifvertrag der Metaller für die Einheit Connected Mobility Solutions unter dem Dach von Bosch. Er erlaubt mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit wie auch bei der Bezahlung, ein eigenes Weiterbildungsbudget und einen umfassenden Gesundheitscheck. Dinge, die sonst nur Führungskräften vorbehalten wären.

Urban Harbor: Treffen von externen Startups und potentiellen internen Ausgründungen

Auch die „Garagen“ muten recht luxuriös an. Wie Urban Harbor oder das „werk_39“. In das neue Innovationslabor von dem Medizintechnikhersteller B. Braun kommen wechselnde Projektteams, um einige Monate lang an ihren Themen zu arbeiten und sich schon sehr früh mit den künftigen Anwendern auszutauschen. Ideen, die das Zeug zu einer Ausgründung haben, fördert das Familienunternehmen auch im firmeneigenen Accelerator – neben externen Startups. Ein derartiges internes Projekt ist „Daheim“: Es will mehr Nierenkranken die Hämodialyse zuhause ermöglichen. Dafür übernimmt „Daheim“ diverse nicht-medizinische Aufgaben rund um die Blutwäsche: von der Installation der Geräte über die kontinuierliche Versorgung mit Verbrauchsmaterial bis zum Datenaustausch mit dem behandelnden Arzt.

Frühes Feedback von den potentiellen Kunden

Eine Jury beurteile die eingereichten Projekte nach dem Kundeninteresse, der technischen Machbarkeit und der Aussicht, damit Geld verdienen zu können, schildert Alexander Katzung, Vizepräsident Acceleration&Innovation bei B. Braun. Die Mitarbeiter, die diese Ideen umsetzen wollen, sollten sowohl fachliche Kompetenzen als auch unternehmerischen Geist mitbringen. „Sie brauchen aber auch Freiraum zum Denken und Handeln“. Der Arbeitgeber müsse ihnen die Ressourcen zur Verfügung stellen wie auch ein Budget, um potentielle Kunden oder Fachkonferenzen zu besuchen. „Wir haben kein Handbuch, wie wir Innovation am besten fördern“, sagt Katzung: „Jede Firma geht ihren eigenen Weg“. „Daheim“ wird auf jeden Fall nicht ausgegründet, aber künftig ein neuer Geschäftsbereich von B. Braun sein.

„Gerade in der Chemie gehört die Methode ‚Trial and Error‘ mal mehr, mal weniger zum Alltag“, so Evoniks Chief Innovation Officer, Ulrich Küsthardt: „Deshalb stigmatisieren wir den Irrtum auf dem Weg zum Erfolg nicht, sondern gehen damit effektiv und lernend um.“ Kreative Mitarbeiter treibe nicht primär ein finanzieller Bonus um, sondern die Möglichkeit, die eigene Kreativität freizulassen. 2016 wurde der Ideenwettbewerb Global Ideation Jam zum ersten Mal auf Konzernebene ausgetragen. Aus einer dreistelligen Anzahl an Ideen wird in mehreren Runden eine für den Entrepreneurship Award gekürt. Der Gewinner bekommt ein Jahr lang Zeit, sie weiter zu entwickeln und 200.000 Euro Startkapital. Verschiedene Konzernbereiche unterstützen ihn bei Bedarf durch Mitarbeiter und Laborkapazitäten.

Die junge Physikerin Marta Canas-Ventura war mit der Erfindung einer intelligenten Tinte die erste Preisträgerin. Die Tinte zeigt durch Farbveränderungen, ob ein Medikament richtig gelagert wurde. Aus strategischen Gründen werde Evonik diese Idee nicht weiterverfolgen, teilt Pressesprecherin Deborah Lippmann mit. „Nichtdestotrotz: Die Rückmeldungen aus dem Markt haben gezeigt, dass die Idee Potenzial hat. Das Produkt wird möglicherweise außerhalb von Evonik realisiert.“ Canas-Ventura nimmt es sportlich und ist vor allem von der Lean Startup-Methode angetan: „Statt eine Idee erst im Labor ein Stück weit zu entwickeln, geht man hier mit der Idee alleine zu potenziellen Kunden. Man erfährt also sehr schnell, ob man das Problem richtig eingeschätzt hat und die Lösung für den Kunden Sinn macht.“

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