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Politik - 10.12.2018

Uno peitscht umstrittenen Migrationspakt durch

Niemand dagegen. Alle dafür. Fertig.

Es ist der wohl umstrittenste Pakt der Vereinten Nationen – und seine Annahme beim UN-Gipfel in Marrakesch (Marokko) erfolgte fast beiläufig am Montagvormittag.

▶︎ Um 10.29 Uhr erklärt der Tagungsleiter, Marokkos Außenminister Nasser Bourita, überraschend zwischen zwei Redebeiträgen, dass der Pakt angenommen sei. „Annahme per Akklamation“ heißt das im Diplomaten-Sprech: Niemand dagegen, alle dafür, fertig. Agenturmeldungen gehen um die Welt. Die Gegner des Paktes sind in Marrakesch nicht dabei.

Kanzlerin Angela Merkel (64, CDU) würdigte den Pakt als Meilenstein zu einer besseren Weltordnung. „Globalisierung, wenn sie menschlich gestaltet werden soll, kann nur gelingen, wenn alle Länder Chancen haben, sich zu entwickeln“, sagte sie in ihrer kurzen Rede. „Deshalb geht es bei der Auseinandersetzung über diesen Pakt um nicht mehr und nicht weniger als um ein klares Bekenntnis zum Multilateralismus. Nur so werden wir diesen Planeten besser machen können.“

Ausdrücklich wandte sich auch Merkel gegen die Kritiker des Paktes. „Hier werden Ängste benutzt, um Falschmeldungen in Umlauf zu bringen. Aber im Kern geht es um das Prinzip des multilateralen Handelns.“

Es sei „ein gutes Zeichen, dass wir uns auch mit dem Schicksal der Millionen Migranten auf der Welt beschäftigen“, sagte Merkel. „Migration ist etwas, das ganz natürlich und immer wieder vorkommt. Deutschland ist ein Land, das auf Grund seiner Demografie mehr Fachkräfte brauchen wird. Deshalb haben wir ein großes Interesse an legaler Migration.“

Eine riesige Zeltstadt am Rande von Marrakesch

Es ist eine riesige Zeltstadt, die für die „UN-Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für sichere, geordnete und reguläre Migration“ am Rande von Marrakesch aufgebaut ist. Gigantische Messehallen aus Tuch und leichten Pappwänden für den Plenarsaal, die Pressezentren, Restaurants und hunderte Büros der UN-Delegationen.

Über dem Eingang zum Bab Ighli-Konferenzgelände sind die stilisierten Umrisse von Migranten aufgebaut: eine muntere Wandergruppe mit Rucksäcken und Kindern, die in verschiedene Richtungen marschieren. Eine ziemlich lockere Anmutung für ein Thema, das vor allem für die Migranten zumeist mit dramatischen Brüchen und Erfahrungen verbunden ist.

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„Der Pakt ist kein Vertrag“

145 Nationen sind beim Treffen in Marrakesch vertreten, die meisten mit Ministern oder Staatssekretären. Kanzlerin Angela Merkel ist klar der wichtigste und bedeutendste Regierungschef der Konferenz. Ursprünglich hätte Außenminister Heiko Maas (SPD) nach Marrakesch reisen sollen. Doch wegen der hitzigen Debatten um den UN-Migrationspakt wollte Merkel mit ihrer Anwesenheit ausdrücklich ein Zeichen für Migration setzen.

Nicht dabei sind u.a. USA, Australien, Israel, Chile, Polen, Ungarn, Österreich, Slowakei und Tschechien. Doch auch bei den Unterstützern des Paktes gab es massive Debatten. Das Parlament in Estland diskutierte acht Stunden lang, bevor die Zustimmung feststand.

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Und auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres musste in seiner Eröffnungsrede zunächst auf zahlreiche „Mythen“ eingehen, die sich um den UN-Migrationspakt rankten. So begründe der Pakt „kein neues Recht auf Einwanderung“, sagte Guterres.

Falsch sei auch die Behauptung, der Pakt greife in die Souveränität der Mitgliedsländer ein. „Der Pakt ist kein Vertrag.“ Er sei rechtlich nicht bindend, sondern ein „Rahmenwerk für internationale Zusammenarbeit der teilnehmenden Regierungen. Auch das ein ziemlich einmaliger Vorgang, dass der UN-Generalsekretär selbst minutenlang die vermeintlichen Missverständnisse eines als großen Wurf gepriesenen Paktes auszuräumen versuchen muss.

Nach offizieller Lesart soll sich der Pakt ausschließlich der Arbeitsmigration widmen, während die Regeln für Flucht und Vertreibung in einem zweiten Teil, dem Pakt für Flüchtlinge, geklärt werden soll, der sich derzeit noch in der Abstimmung der Teilnehmerländer befindet.

UN-Generalsekretär Guterres, der zuvor UN-Flüchtlingskommissar war, macht denn auch keinen Hehl daraus, dass der Pakt auch einem eigenen Gesellschaftsbild folgt: „Gesellschaften werden stärker, widerstandsfähiger und bereichert durch Vielfalt und nicht bedroht von ihr.“

Illegale Migration aus Marokko

Marokko selbst hat inzwischen Libyen bei der Zahl der ablegenden Migrantenboote überholt. Rund 60 000 Menschen kommen derzeit pro Jahr über das Land nach Europa. Marokkos König Mohammed VI. ist zugleich auch Migrationsbeauftragter der Afrikanischen Union (AU). Die Kooperation deutscher Behörden mit den zuständigen Stellen in Marokko funktioniere inzwischen besser, als bei vielen anderen nordafrikanischen Ländern.

Bis Ende Oktober konnten bereits 602 Marokkaner aus Deutschland zurückgeführt werden. Im gesamten Jahr 2016 waren es nur 61. Auch die Erfassung elektronischer Fingerabdrücke funktioniere inzwischen sehr gut. Zudem verfüge Marokko über eine funktionierende Küstenwache und sei durchaus in der Lage, illegale Migration wirkungsvoll zu begrenzen, heißt es in der Bundesregierung.

Kanzlerin Angela Merkel bedankte sich bei einem bilateralen Treffen mit dem marokkanischen Premierminister ausdrücklich für die gute Kooperation und kündigte einen weiteren Besuch in dem Land an. Der König, der Merkel am Vorabend der Konferenz hatte empfangen wollen, sagte kurzfristig den Termin ab.

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