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Politik - 04.02.2019

Syriens Kinder leiden unter dem achten Kriegswinter

Für Hunderttausende Kinder in Syrien ist dieser Februar Teil des achten Winters in Folge im Krieg.

Und der ist ähnlich brutal wie die letzten. Anfang Januar zeigte das Thermometer minus zehn Grad Celsius an, mittlerweile werden wieder Plusgrade erreicht. Und auch wenn Diktator Baschar al-Assad und seine Verbündeten Russland und Iran große Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben und ISIS nach vier Jahren endlich fast vollständig besiegt ist: Ein Ende des Leidens innerhalb der Bevölkerung ist nicht abzusehen.

Mindestens 29 Kinder sind auf der Flucht vor den Kämpfen gegen die letzten Kämpfer der Dschihadistenmiliz ISIS in der Winterkälte im Osten Syriens gestorben. Dies teilte die Weltgesundheitsorganisation WHO mit. Demnach seien die Kinder und Neugeborenen in den vergangenen acht Wochen auf dem Weg in das Lager Al-Hol oder kurz nach ihrer Ankunft zu Tode gekommen. Zumeist durch Unterkühlung, erklärte die WHO diese Woche und zeigte sich „extrem besorgt“ über die Lage.

Die humanitäre Situation in dem Flüchtlingslager im Nordosten Syriens verschlechtere sich ständig, warnte die WHO. Binnen zwei Monaten seien rund 23 000 Frauen, Kinder und Männer auf der Flucht vor den Gefechten in der östlichen Provinz Deir Essor in dem Lager eingetroffen. Viele von ihnen seien in der bitteren Winterkälte über Tage zu Fuß unterwegs gewesen oder hätten Tage in offenen Lastwagen verbracht, erklärte die WHO.

Auch in Idlib leiden die Kinder

Doch auch in der Provinz Idlib, wo drei Millionen Menschen von Assad belagert und von Islamisten drangsaliert werden und der Fluchtweg in die Türkei versperrt bleibt, spitzt sich die Lage für die 1,5 Millionen Binnenvertriebenen zu.

Ferdinand Dürr von der in Syrien tätigen Leipziger Hilfsorganisation Adopt a Revolution sagte zur Lage in Idlib zu BILD: „Die notdürftigen Camps der Binnenflüchtlinge sind im Sintflutregen gerade erst wieder abgesoffen. Die humanitäre Katastrophe eskaliert, aber internationale Hilfe kommt keine an – und die Schwächsten trifft es am meisten: ‚Keine UN-Konvois, chaotische Zustände, aber wir können höchstens den Allerärmsten helfen‘, klagen unsere Projektpartner.“

Noch schlimmer wird die Situation, weil Deutschland und andere Länder nach der gewaltsamen Machtübernahme der islamistischen Terrororganisation Hayat Tahrir al-Sham über große Teile Idlibs Anfang Januar die Entwicklungshilfe für die Region eingestellt haben.

  • Millionen Menschen betroffen

    Deutschland stoppt Entwicklungshilfe in Syrien

    Bitterer Moment für Millionen Menschen in der syrischen Region Idlib: Deutschland stoppt vorerst seine Struktur- und Entwicklungshilfe.

Mustafa Eido (38), stellvertretender Leiter des Idlib Health Directorate, der Gesundheitsbehörde der Region, sagte dazu zu BILD: „33 von uns betriebene medizinische Einrichtungen sind davon betroffen (dazu kommen mehrere Einrichtungen in der Provinz Hama, Anm. d.Red.). Das heißt, dass unsere 634 Mitarbeiter nicht mehr bezahlt werden!“

Auch Hilfsorganisation-Mitarbeiter Ferdinand Dürr beklagt die Einstellung der deutschen Entwicklungshilfe für Idlib. „Wieder einmal leiden zuerst die Flüchtlinge, die am wenigsten dafür können! In der Provinz Idlib werden gerade Millionen Flüchtlinge von jeder Hilfe abgeschnitten! Viele Ärzte und Krankenschwestern arbeiten inzwischen ohne Gehalt, weil den Krankenstationen das Geld fehlt.“

Dazu kommen die anhaltenden Angriffe Assads und Russlands auf die Zivilbevölkerung in Idlib.

Am 20. Januar griff ein russischer Jet gezielt eine Bäckerei in einer Kleinstadt in Idlib an. 20 Menschen wurden verletzt. Tausende haben es jetzt noch schwerer, an Nahrungsmittel zu gelangen.

Russian warplanes destroyed the only bakery in a town in rural Idlib, leaving nearly 20 workers severely injured and the town without its main source of food
Filmed by: Gehan haj bakri + Yhya daoud#Syria #EyesOnIdlib #Idlib pic.twitter.com/p9m9tviyw0

— SY+ (@SY_plus) January 31, 2019

Auch Assad setzte seinen Bomben-Terror gegen die Zivilbevölkerung im Januar fort. Der schlimmste Angriff erfolgte am 29. Januar. Assads Armee feuerte mehr als ein Dutzend Artillerie-Granaten auf das Zentrum der Stadt Maarat al-Numan. Zehn Zivilisten, darunter ein Kind und eine Frau, starben. Weitere 23 Menschen wurden verletzt.

The death toll in Ma'ra al-Nu'man city in #Idlib has risen to 10 civilians, including a child and a woman, as a result of the regime's forces artillery shelling targeting the city's neighborhoods with about 15 rockets this afternoon. #WhiteHelmets rescue operations continue. pic.twitter.com/0cnvdkQH6m

— The White Helmets (@SyriaCivilDef) January 29, 2019

Kälte, Regen und der anhaltende Krieg machen auch den achten Winter des syrischen Bürgerkriegs zur Hölle für viele Millionen Menschen. Trotzdem hat der Westen dem geschundenen Land den Rücken zugewandt. Dabei zeigen gerade die letzten Monate, dass humanitäre Zahlungen allein die Lage in Syrien nicht verbessern werden.

Nach dem angekündigten Abzug der Amerikaner in den nächsten Monaten, werden Assad, Putin, Erdogan und Khamenei allein über die Zukunft der Zurückgebliebenen entscheiden. Eine freiwillige Rückkehr der meisten der etwa 5,6 Millionen syrischen Flüchtlinge scheint damit weiter ausgeschlossen.

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