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Politik - 25.05.2019

Österreich als„Republik der Schande“

Kein Skandal in unserem wunderbaren Österreich kann so erschütternd, so peinlich und so tief sein, dass er nicht am Ende doch zur Operette verkommt.

Genau das geschieht jetzt mit dem unfassbaren Ibiza-Video, das FPÖ-Chef Strache und FPÖ-Klubchef Gudenus zeigt, wie sie Staatsaufträge an russische Oligarchen im Gegenzug für illegale Spenden verschenken, wie sie Spendengelder an allen Kontrollen vorbei in dubiose Vereine schleusen und – kabarettreif – auch noch wie Dagobert Ducks die größte Tageszeitung kaufen wollen.

Eine Tragödie wird zur Operette. Alle Vermutungen, dass ausländische Geheimdienste – bevorzugt der BND – den Ösi-Rechtspopulisten die Video-Falle gestellt haben, haben sich als übereifrig erwiesen. In Wahrheit ist es – wie wir seit einem oe24-Interview wissen – die Wiener Unterwelt gewesen.

Ein verurteilter Drogenhändler hat es mit einem dubiosen Anwalt und – laut Eigen-Beschreibung – mit einer „semi-professionellen Halb-Prostituierten“ (aber immerhin mit 600 000 Euro Aufwand) produziert. Danach wurde das Video den Wahlkampf-Strategen von zwei Parteien für 1,5 Millionen Euro angeboten. Aber natürlich haben „angeblich“ alle dieses unverschämte Angebot höchst „anständig“ abgelehnt. Weil wir ja ein ganz liebes Land sind.

Dass das Video jetzt – mit zwei Jahren Verspätung – genau zehn Tage vor der EU-Wahl geplatzt ist, zeigt, dass Österreich nicht nur Operetten, sondern auch Dramen produzieren kann. Dramen, die uns entlarven.

Die FPÖ hat den Rechtspopulismus in diesem EU-Wahlkampf auf die Spitze getrieben. Strache, Gudenus haben mit ihrem Spitzenkandidaten Vilimsky ein ganzes Land in eine Anti-Flüchtlings-Hysterie und einen Sicherheits-Wahlkampf getrieben.

Die Stimmung war so emotional, dass die FPÖ – obwohl sie in den Umfragen nur auf Platz drei lag (ÖVP: 29 %, SPÖ 27 %, FPÖ 24 %) – auf der Sieges-Straße war.

Totgesagte FPÖ könnte wieder auferstehen

Dann kam das Video. Ein Super-GAU im Wahlkampf. Ein größtmöglicher Vertrauens-Verlust für die Politik. Eine Schande für das ganze Land, das solche Regierungs(!)-Politiker hat. Ein Total-Crash für die Koalition.

Das gesamte türkis-blaue Koalitions-Experiment des erst 32-jährigen Kanzlers Sebastian Kurz löst sich seit dem Video-Crash auf. Der Kanzler hat Neuwahlen ausgerufen. Seither entgleitet ihm sein Regierungs-Speedboot. Am Montag – gleich nach der EU-Wahl – soll Kurz mit einem Misstrauens-Antrag gestürzt werden. Dann ist der vor Kurzem noch zu Recht als „Wonderboy“ gefeierte „Basti fantasti“ zumindest für vier Monate bis zur Wahl nur noch Geschichte. Die Regierung soll von beamteten „Experten“ verwaltet werden. Österreich – gerade noch für seine Dynamik gefeiert – droht Stillstand.

Und nach der Neuwahl im September? Leicht möglich, dass der dann 33-jährige Kurz ein fulminantes Comeback feiert und mit einer größeren Mehrheit als bisher sein nächstes Regierungs-Experiment starten kann. Dann entweder mit den liberalen NEOS (die Macron lieben) oder in alter Tradition mit der „Großen Koalition“ samt SPÖ, die zuletzt so brutal abgewählt wurde.

Und Sonntag bei der EU-Wahl? Ist es durchaus möglich, dass Österreich endgültig zum Operetten-Staat wird. Letzte Stimmungs-Tests zeigen nämlich, dass die nach dem Video völlig totgesagte FPÖ die spannendste Auferstehung seit Jesus Christus feiern könnte.

Mittlerweile ist es nicht mehr sicher, dass die FPÖ bei der EU-Wahl von den Wählern brutal abgestraft wird – eher scheint es so, als ob sie dank einer Mitleids- und Jetzt-erst-recht-Taktik zum Wahlsieger werden könnte.

Die Österreicher – seit jeher die Könige der Bierzelte – lieben „b’soffene G’schichten“ (nicht nur in Operetten), sie hassen angebliche „linkslinke Medien“ (wie die deutschen Aufdecker „Spiegel“ und „Süddeutsche“) und sie haben mittlerweile eine solche Wut und einen solchen Frust auf die Politik, dass es durchaus möglich ist, dass sie am Sonntag den Bock zum Gärtner und die FPÖ zum Wahlsieger machen könnten.

Dann aber hält uns Europa vermutlich wirklich nicht nur für eine Republik der Schande – sondern wohl für eine Republik des Wahnsinns …

*Wolfgang Fellner ist ein Urgestein der österreichischen Medienlandschaft und einer der bekanntesten Journalisten des Landes. Er ist Herausgeber der Zeitung „Österreich“, durch die Fritz-Fellner-Privatstiftung besitzt er zudem vier Radiosender und mit seinem Fernsehsender oe24 ist er online und linear vertreten. Zuletzt berichtete der Sender ausführlich über die Enthüllungen der sogenannten Ibiza-Affäre um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).

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