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Politik - 15.02.2019

„Neuer Sozialstaat“: Wirtschaftsweiser warnt eindringlich vor SPD-Plänen

SPD plant Bürgergeld statt Hartz IV

Die SPD beschließt bei einer Klausurtagung des Vorstands ein neues „Sozialstaatskonzept“. Längere Zahlungen von Arbeitslosengeld 1, Kindergrundsicherung und erhöhter Mindestlohn sind Bestandteile des Papiers. (Quelle: Reuters)

Klare Aussagen vom Partei-Vorstand: Die SPD will Hartz IV hinter sich lassen. (Quelle: Reuters)


Die SPD will den Sozialstaat reformieren und dabei auch den Mindestlohn auf zwölf Euro anheben. Die Union hat die Pläne schon abgelehnt und das Lager der Kritiker wächst.

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, hat die SPD-Pläne für Sozialreformen scharf kritisiert. Die Partei schicke sich an, „das arbeitsmarkt- und rentenpolitische Rad wieder zurückzudrehen“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage der „Süddeutschen Zeitung“.

Für falsch halte er vor allem, dass die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für ältere Arbeitnehmer künftig auf fast drei Jahre ausgedehnt werden solle, sagte Schmidt. Kritik äußerte der Wirtschaftsweise auch am sogenannten „Arbeitslosengeld Q“ und an der Absicht, den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben.

Schmidt warnt vor Missbrauch

Die „lange Bezugsdauer von Arbeitslosengeld“ sei „ein Problem“ gewesen, das mit den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 überwunden worden sei, sagte Schmidt. Bis dahin sei „das allzu häufig als eine recht auskömmliche Brücke in die Rente missbraucht“ worden. Für eine alternde Gesellschaft sei dies aber „der falsche Weg“.

Christoph M . Schmidt, der Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen: Das Arbeitslosengeld sei häufig als „auskömmliche Brücke in die Rente missbraucht“ worden. (Quelle: imago)

„Mir scheint, dass die schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit mittlerweile völlig in Vergessenheit geraten sind, als die Wirtschaftspolitik noch verzweifelt nach Wegen gesucht hat, einen gewaltigen Sockel an Langzeit-Arbeitslosigkeit abzubauen“, sagte Schmidt.

Union lehnt Pläne der SPD ab

Das Sozialstaats-Konzept der Sozialdemokraten sieht unter anderem ein neues Bürgergeld statt des umstrittenen Hartz-IV-Systems sowie längere Bezugsmöglichkeiten für das Arbeitslosengeld I vor, von denen besonders ältere Arbeitnehmer profitieren sollen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) treibt zudem Pläne für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung voran. Beim Koalitionspartner CDU/CSU sind die Pläne auf Ablehnung gestoßen.
 

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Der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, forderte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nun auf, ein Finanzierungskonzept für das neue SPD-Sozialstaatsprogramm vorzulegen. „Nachdem Bundesfinanzminister Scholz das SPD-Programm in der Öffentlichkeit als realisierbar und finanzierbar dargestellt hat, hat er die Bringschuld, das Paket finanziell zu untersetzen“, sagte Rehberg der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.

Die Pläne der SPD im Überblick:

Bürgergeld statt Hartz IV

Anstelle des bisherigen Hartz IV will die SPD mit dem neuen Bürgergeld einen „Leistungsanspruch für Absicherung und Teilhabe“ einführen. Damit soll ein „Recht auf Arbeit“ verbunden sein: Dieses soll ein Weiterbildungs- oder Arbeitsangebot beinhalten. Wer keinen Berufsabschluss hat, soll das Recht erhalten, einen solchen nachzuholen.

Beim Übergang von ALG I in das Bürgergeld sollen anders als bei Hartz IV Vermögen und Wohnungsgröße zwei Jahre lang nicht überprüft werden. Eine Reform des Wohngeldes soll dafür sorgen, dass niemand nur aufgrund hoher Wohnkosten auf Bürgergeld angewiesen ist. Das Bürgergeld soll zudem besonderen Härten begegnen – etwa wenn plötzlich die Waschmaschine kaputtgeht und gleichzeitig die alte Winterjacke aufgetragen ist.

Im Zuge des Bürgergeldes will die SPD die bisherigen Hartz-IV-Sanktionen abschaffen, und zwar soweit sie „sinnwidrig und unwürdig“ sind. Dies gilt insbesondere für die strengeren Regelungen bei jungen Menschen unter 25. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, soll es zudem keine Kürzung der Wohnkosten mehr geben. Auch eine komplette Streichung von Leistungen soll nicht mehr möglich sein.

Arbeitslosengeld I

Wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, soll auch länger ALG I erhalten. Unabhängig vom Alter erhöht sich die Anspruchszeit den SPD-Plänen zufolge bei mindestens 20 Jahren Beitragszeit um drei weitere Monate, ab 25 Jahren um sechs Monate und ab 30 Jahren Beitragszeit um neun Monate. Um falsche Anreize zu vermeiden, will die SPD Abfindungen anrechnen. Bislang liegt die maximale Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I für Menschen unter 50 Jahren bei zwölf Monaten.

Zudem wollen die Sozialdemokraten einen Leistungsanspruch für Qualifizierung einführen: Wer nach dreimonatigem ALG-I-Bezug noch keine neue Arbeit gefunden hat, erhält Anspruch auf eine gezielte Weiterbildungsmaßnahme und auf das damit verbundene Arbeitslosengeld Q. Es entspricht in der Höhe dem ALG I. Weiterbildung mit ALG Q kann insgesamt bis zu 24 Monaten gewährt werden. Einschließlich ALG Q soll die maximale Bezugsdauer des ALG I 36 Monate betragen können.

Arbeitswelt

Die SPD will den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro „perspektivisch“ auf zwölf Euro erhöhen. Zudem soll die Tarifbindung unter anderem durch steuerliche Anreize gestärkt werden. Außerdem will die SPD ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice schaffen, damit mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von den digitalen Vorteilen profitieren können.

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Zugleich will sie aber auch das Recht auf Nichterreichbarkeit schützen. Arbeitszeitkonten sollen nach den Vorstellungen der SPD beim Unternehmenswechsel übertragen werden können. Beschäftigte sollen auch einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung erhalten.

Kindergrundsicherung

Das Kindergeld, der Kinderzuschlag, das Bildungs- und Teilhabepaket und etwaige Hartz-IV-Zahlungen sollen zu einem Paket zusammengeschnürt werden. Zur Kindergrundsicherung gehören für die SPD aber zwei Säulen: Das ist zum einen der finanzielle Bedarf eines Kindes, zum anderen Infrastrukturleistungen in Kita, Schule, Ganztagsbetreuung und Förderangebote.

Grundrente

Ergänzt wird das Sozialstaatskonzept durch die Vorschläge von Arbeitsminister Hubertus Heil für eine Grundrente, die vom Parteivorstand ausdrücklich unterstützt werden. Die Grundrente sollen Geringverdiener erhalten können, die mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben – ohne eine Bedürftigkeitsprüfung, wie sie die Union fordert.

Durch die Grundrente könnten rund vier Millionen Bezieher kleiner Einkommen zusätzliche Rentenzahlungen von bis zu 447 Euro monatlich erhalten. Finanzieren will die SPD dies aus Steuermitteln.

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