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Politik - 13.03.2019

May krächzt und kämpft – vergeblich

Erneute Niederlage für Mays Brexit-Abkommen mit der EU

Quelle: Reuters

Es ist eine der wichtigsten Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte für Europa und Großbritannien: Heute legte die britische Regierung dem Parlament das Austrittsabkommen vor, das Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hat –der Brexit-Deal.

Der Parlamentskrimi begann gegen 14 Uhr – seit 20.22 Uhr ist klar: May hat erneut verloren, mit 242 zu 391 Stimmen. Wie es weitergeht ist völlig unklar. BILD berichtet live!

So lief der Tag

Theresa May ist heiser, verteidigt krächzend ihren Deal vor dem Unterhaus. Dabei warnt sie vor einer Ablehnung: „Brexit could be lost“, der Brexit könnte verloren sein. Denn kein Abkommen könnte am Ende bedeuten: kein Brexit.

Damit hätte nicht nur Theresa May an diesem Tag ihre Stimme verloren sondern auch Millionen Briten, die für den Brexit gestimmt hatten, wie ein Abgeordneter anmerkte. Ein „verwässerter, verzögerter oder ganz verhinderter Brexit“ sei von nun an zu befürchten.

Neue Niederlage zeichnet sich ab

Im Januar war May krachend mit dem Versuch gescheitert, den Deal durchs Parlament zu bringen. Diesmal war die Hoffnung auf die Zustimmung des Unterhauses zunächst größer.

Allerdings: Die Anzeichen für ein Scheitern mehrten sich im Tagesverlauf. Ungeachtet der neuen Übereinkunft mit der EU kündigte die nordirische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, ihre Ablehnung an. Der Pro-Brexit-Flügel ihrer Tories stellte sich nach der Eröffnung der Parlamentsdebatte ebenfalls gegen die Vereinbarung. Ihnen ist ganz besonders der Backstop ein Dorn im Auge.

Sir Bill Cash, ein Sprecher der rund 80 Hardliner, kündigte ein Nein der Gruppierung an, auch wenn sich bis zum Abend 23 bisherige „Rebellen“ unter den konservativen Tories in persönlichen Erklärungen auf Mays Seite schlugen (z.B. Derek Thomas, Ben Bradley).

Der gescheiterte britische Ex-Außenminister Boris Johnson gab der EU die Schuld an der angeblichen Unmöglichkeit, dem Deal zuzustimmen. Er warb für einen Austritt ohne Abkommen („Chaos-Brexit“), denn dies sei „der einzig sichere Weg “ aus der Europäischen Union.

EU-Unterhändler Michel Barnier warnte die Abgeordneten per Twitter: „Es scheint die gefährliche Illusion zu geben, dass Großbritannien auch ohne Austrittsabkommen von einer Übergangsfrist profitieren kann“. Doch sei der Vertag die einzige Basis für die Übergangsfrist, in der sich nach dem britischen EU-Austritt bis mindestens Ende 2020 praktisch nichts ändern soll. „Kein Austrittsabkommen bedeutet keine Übergangsfrist“, betonte Barnier.

Keine Unterstützung von Labour

Auch die Hoffnung von May, möglichst viele Abgeordnete der Opposition auf ihre Seite zu ziehen, dürfte sich zerschlagen: Der Brexit-Experte der Oppositionspartei Labour, Keir Starmer, erklärte, die Strategie der Regierung liege „in Fetzen“.

Oppositionschef Jeremy Corbyn warf Theresa May vor, sie habe mit Brüssel „nicht ordentlich verhandelt“, denn das Risiko des Backstops sei immer noch da. Ihre Regierung habe „kläglich versagt“. Er plädierte für einen „weniger harten Brexit“, für den es im Parlament eine Mehrheit gebe.

Wörtlich sagte Corbyn: „Den Menschen in diesem Land, die sich im Moment sehr, sehr um ihre Zukunft sorgen, ihre Arbeitsplätze, im Falle von EU-Bürgern um ihr Recht, in diesem Land zu bleiben (…) – das Parlament schuldet ihnen, eine gewisse Sicherheit zu erlangen, indem es den Vorschlag der Premierministerin ablehnt und ein unserer Meinung nach glaubwürdiges Paket von Alternativen vorlegt. Das Parlament sollte heute seine Arbeit tun und der Premierministerin Nein sagen.“

▶︎ Klar war: Wenn dieser Deal durchs Parlament fällt, bleiben nur noch zwei Optionen, erklärt Brexit-Experte Dr. Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): ein No-Deal-Brexit (ungeordneter EU-Ausstieg ohne Abkommen) oder die Verlängerung der Übergangsphase (Verschiebung des Brexit).

Wegen der bevorstehenden Europa-Wahlen hat die EU zuletzt klargestellt: Eine Verschiebung ohne Komplikationen ist nur bis 23. Mai möglich. Andernfalls müsste Großbritannien an der Europa-Wahl teilnehmen.

Beobachter schlossen nicht aus, dass mit einer erneuten Schlappe auch Mays Zeit als britische Premierministerin sehr schnell zu Ende gehen könnte. Das Heft des Handelns könnte am Ende dieser Woche an das Parlament übergehen, das durch eine fraktionsübergreifende Mehrheit einen Ausweg aus der Sackgasse suchen könnte.

Die Zeitung „The Sun“ nennt auch Neuwahlen als mögliche Option.

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Können die Hardliner-Brexit-Fans umgestimmt werden?

Zum Teil vielleicht schon. Viel Bedeutung wurde der Einschätzung von Geoffrey Cox beigemessen, dem Generalstaatsanwalt und juristischen Top-Berater der britischen Regierung.

Doch der machte die neue Hoffnung, die Theresa May mit ihrer gestrigen Einigung geweckt hatte, gegen Mittag wieder zunichte: Er sieht auch bei der ergänzten Vereinbarung mit der EU juristische Risiken für Großbritannien. Gleichzeitig sei er aus politischen Gründen FÜR das Abkommen, stellte er später vor den Abgeordneten klar.

Beobachter sahen die Chancen für eine Annahme des May-Deals damit rapide sinken: Der britische Pfund fiel sogleich um ein Prozent auf bis zu 1,30 Dollar. Damit waren alle Wertgewinne seit Montagabend wieder futsch.

Dabei hätte Cox, der in die Verhandlungen in Straßburg eingebunden war, mit einer leicht positiveren Einschätzung viele konservative Skeptiker umstimmen können.

Experte von Ondarza gab BILD zu bedenken, es sei „demokratisch fragwürdig“, über einen 558 Seiten Austrittsvertrag abzustimmen, der erst am späten Abend zuvor geändert wurde. Auch Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg sah das so und beantragte vergebens, die Abstimmung zu verschieben.

Sind die EU-Zugeständnisse an May nur Show?

Im Kern hat die EU noch mal bekräftigt, dass sie das Inkrafttreten des Backstop nicht wünscht. Dazu wurden Details zu Schiedsgerichtsverfahren abgeändert und noch mal festgeschrieben, dass bis Dezember 2020 Alternativen zum Backstop gefunden werden sollen.

▶︎ Die EU habe genug Zugeständnisse gemacht, um es vielen Abgeordneten als solche zu verkaufen, meint Nicolai von Ondarza.

▶︎ „Die Zugeständnisse sind nicht sehr substanziell“, sagt dagegen Clemens Fuest vom Ifo-Institut zu BILD. „Die Lösung ist immer noch nicht klar, die realen Probleme wurden damit nur noch einmal in die Zukunft verschoben.“

Die EU hat nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel weitreichende Angebote an Großbritannien gemacht. Nun sei es an dem britischen Unterhaus, eine Entscheidung zu fällen, sagte Merkel am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit dem belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel. Man werde dies aufmerksam verfolgen.

Wird es also reichen?

Ist Mays Brexit-Paket jetzt gut genug, um die Abgeordneten zu überzeugen?

Nein, meint Dr. Daniela Schwarzer, Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Die Blockade der Brexit-Hardliner wird damit vermutlich nicht durchbrochen werden.

Nein, sagt auch Prof. Thomas Jäger von der Uni Köln. Allerdings: Premierministerin May dürfte die Abstimmung nicht so krachend verlieren wie die letzte.

Nein, lautet auch der Tipp von Dr. Nicolai von Ondarza. Er rechnet mit einer knappen Niederlage für May.

Nein, sagt auch Clemens Fuest.

Wie geht es dann weiter?

Das Brexit-Spiel geht dann in die Verlängerung – geplant ist, dass das Parlament am Donnerstag darüber abstimmt. Doch wie diese Verlängerung aussieht, darüber sind sich die Experten NICHT einig:

▶︎ Clemens Fuest rechnet mit einer Verlängerung von weniger als zwei Monaten, wie es rechtlich vorgesehen ist. Dann wird im Grundsatz noch mal über das Gleiche abgestimmt, und er sieht die Chancen so: 60 Prozent dafür, dass May ihren Deal durchbekommt, 40 Prozent dafür, dass die Briten ohne Deal austreten.

▶︎ Nicolai von Ondarza glaubt: Falls Theresa May heute krachend verliert, wird die EU eine wesentlich längere Verlängerung anstreben und sie nutzen, um den Brexit an sich in Frage zu stellen.

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