Home Politik „May bleibt, ihre Probleme leider auch“
Politik - 14.12.2018

„May bleibt, ihre Probleme leider auch“

Britische Regierungschefin reist mit neuer Wunschliste nach Brüssel ++ Bundesregierung schließt „Aufdröseln“ des Abkommens aus

Eigentlich sollte es ein Gipfel werden, der ein paar grundsätzliche Dinge für Europas Zukunft anstößt. Eigentlich wollten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs heute und morgen die sperrigen Themen abräumen und sich fünf Monate vor der Europawahl endlich aus dem Krisen-Modus befreien.

Jetzt dreht sich wieder alles um Theresa May! Der EU-Gipfel in Brüssel wird zum Brexit-Gipfel. Noch vor Beginn des Treffens traf EU-Ratspräsident Donald Tusk mit der Briten-Premierministerin zusammen. Die sagte in ihrem Ankunft-Statement in drei Minuten drei mal, sie wolle „den Deal über die Linie bringen“. Außerdem bestätigte sie, dass sie bei der nächsten Wahl (regulär 2022) nicht mehr für die konservativen „Tories“ antreten will.

Sie tritt 2022 nicht wieder an

May macht Zugeständnis an parteiinterne Kritiker

Quelle: Reuters
0:15 Min.

Das Brexit-Drama, nächster Akt. Manche nennen es inzwischen auch offen: Trauerspiel.

May-Day statt „Mayday“

Mittwochabend hat sich May in London mit 200 gegen 117 Stimmen in einer parteiinternen Misstrauensabstimmung durchgesetzt. Für sie bedeutet das erst einmal Job-Sicherheit, nachdem ihre Tory-Regierung schon nah am Untergang und SOS-Signal („Mayday“) schien. Doch praktisch alle britischen Zeitungen sehen sie durch das Votum und ihre Ankündigung nach Merkel-Vorbild, bei der nächsten Wahl nicht mehr anzutreten, beschädigt. „Zu Weihnachten gibt’s lahme Ente“, lästerte der „Daily Mirror“.

Für den Brexit bedeuten die 117 Gegenstimmen: ein Desaster. Denn May regiert mit einer hauchdünnen Mehrheit und einem störrischen Koalitionspartner, der nordirischen DUP. Rätselhafter denn je ist nach diesem Ergebnis, wie sie für ihr mühsam mit Brüssel ausgehandeltes Brexit-Abkommen eine Parlamentsmehrheit zusammenschustern will.

  • Kommentar zum Chaos in London

    Brexit-Briten auf Eisberg-Kurs

    „And if it’s real I don’t want to know“, heißt es in einem Pop-Song. Und in der britischen Politik, die die Realität verweigert

  • Die wichtigsten Fakten

    Das Brexit-Drama ganz einfach erklärt

    Bei den Austritts-Verhandlungen blicken selbst Experten teilweise nicht mehr durch. BILD erklärt, worum es beim aktuellen Streit geht.

Angst vor Kamikaze-Brexit

Die Krux: Es gibt auch keinen Alternativ-Weg aus der Sackgasse, für den sich eine Mehrheit der Abgeordneten abzeichnen würde, so dass Experten wie Prof. Iain Begg von der London School of Economics Notfall-Maßnahmen ins Gespräch bringen: Das Parlament könne etwa eine Regierung mit Vertretern aller Parteien installieren, sich endlich auf eine Brexit-Variante festlegen und am Ende gegen alle Widerstände ein zweites Referendum abhalten.

Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel hegt Sympathien ebenfalls Sympathien für eine neue Volksabstimmung: „Ich würde ein zweites Referendum einem Austritt ohne Abkommen vorziehen“, sagte er. Begründung: Die Abstimmung zum EU-Austritt von 2016 sei auf „Lügen“ der Brexit-Befürworter aufgebaut gewesen.

Passiert nichts dergleichen, droht Ende März eben doch der Kamikaze-Brexit – mit unkalkulierbaren Folgen für die britische Wirtschaft, die Einheit Europas und den vor 20 Jahren befriedeten Nordirland-Konflikt. Denn: Wird das Abkommen nicht ratifiziert (am Ende muss auch noch das Europa-Parlament zustimmen), sind alle getroffenen Absprachen hinfällig. Für die Iren gehe es um Fragen von Frieden und Krieg, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits 2017 öffentlich gewarnt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim #Brexit Gipfel: Keine Neuverhandlung des Abkommens #EUCO @bild pic.twitter.com/kpT7Ft4Udx

— Albert Link (@LinkAlbert) December 13, 2018

Die Brexit-Abstimmung am Dienstag hatte Theresa May nur aus einem Grund verschoben: Chancenlosigkeit. Motto: Wenn kein Wunder in Sicht ist, verlängert man einfach die Wartezeit.

Was EU-Diplomaten in Brüssel sauer aufstößt: Es war die britische Seite, die in den letzten Monaten immer wieder Zeitdruck gemacht hatte, mit der Begründung, das Vertragswerk müsse unbedingt noch dieses Jahr durchs Unterhaus gebracht werden.

Auf einmal will man sich Zeit bis zum 21. Januar gönnen. Mays Sprecherin sagte in Brüssel dann, man wolle schnellstmöglich nach der parlamentarischen Weihnachtspause abstimmen. Das Parlament nimmt seine Geschäfte am 7. Januar wieder auf.

Verständnis für Briten-Chaos sinkt

May kündigte am Abend an, sie kämpfe beim EU-Gipfel heute um „rechtliche und politische Rückversicherungen“ für die von der EU durchgesetzte Garantie offener Grenzen zwischen Nordirland und Irland („Backstop“).

Im Entwurf einer EU-Erklärung wird zwar bekräftigt, dass man die umstrittene Garantieregel für eine offene Grenze in Irland möglichst gar nicht und wenn überhaupt nur „für eine kurze Zeit“ nutzen möchte. Die von Brexit-Hardlinern in London geforderte Befristung dieses Backstops will die EU aber laut Entwurf nicht zusagen.

Die zeitlich unbegrenzte Notfallklausel greift für den Fall, dass Briten und Europäer an einem gemeinsamen Handelsabkommen scheitern, und ist in London verhasst. Zugleich fehlt die Bereitschaft der EU-Seite, auch nur ein Komma des Abkommens nachzuverhandeln: „Die Wahrheit steht längst geschrieben. Sie müsste nur endlich mal zur Kenntnis genommen werden“, sagte ein verärgerter EU-Diplomat zu BILD.

Außenminister Heiko Maas

„Brexit-Abkommen wird nicht wieder aufgedröselt“

Quelle: Reuters
1:20 Min.

In einem Punkt kann die Bundesregierung Entwarnung geben: Deutsche und britische Staatsbürger, die am 30. März 2019 im jeweils anderen Land leben und arbeiten, sollen ihren Sozialversicherungsschutz behalten: in der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen, Renten- und Unfallversicherung – auch für den Fall eines ungeordneten Brexits.

Dies gelte genauso für Rentnerinnen und Rentner, die in Großbritannien leben und eine Rente aus Deutschland bekommen.

Der Bundestag sprach sich kurz vor Merkels Abreise nach Brüssel entschieden gegen Änderungen am Brexit-Abkommen aus. „Es muss allen klar sein, dass das fein ausbalancierte Gesamtpaket nicht wieder aufgeschnürt werden kann“, heißt es in einem Antrag, der mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

„Torpedo Attacke! Torpedo Attacke!“

++ Tanker-Krise im Golf von Oman ++ BILD dokumentiert den dramatischen SOS-Ruf ++ Großbrit…