Home Politik Kann dieser schwule Atheist Polen verändern?
Politik - 05.02.2019

Kann dieser schwule Atheist Polen verändern?

Manche Medien feierten ihn bereits als „Macron Polens“. Selbst Parallelen zu Ex-US-Präsident Barack Obama wurden schon bemüht…

Allemal bekannt im Land wurde Robert Biedroń (42) als „Polens erster offen bekennender schwuler Bürgermeister“ und als derjenige, der der regierenden national-konservativen PiS-Partei die Macht entreißen will.

Er ist die Hoffnung vieler Linker, Liberaler, Weltoffener – und nun hat er für seine Vision eines „neuen progressiven Polens“ eigens eine linksliberale Partei gegründet: „Wiosna“, zu deutsch Frühling.

Geht es nach Biedroń, dann soll dieser auch bald in Polen einziehen – in einem Land, das nach der Ermordung des Danziger Bürgermeisters vor drei Wochen gespaltener und hasserfüllter ist als je zuvor.

Der bisherige Bürgermeister von Słupsk (früher Stolp/Pommern) tritt an, um das Land wieder zu einen: „Wir brauchen jetzt mehr positive Energie als jemals zuvor … Wir müssen das Erbe von Pawel Adamowicz erfüllen“, sagte Biedroń. Vor allem Respekt und Dialog seien unabdingbar. Das „Hass-Limit“ sei erreicht.

Bei seinem Gründungsauftritt am Sonntag in einem Stadion in Warschau wurde Biedroń von seinen EU- und Polen-Fahnen schwingenden Anhängern schon mal wie ein Rockstar und Heilsbringer (oder umgekehrt) empfangen.

  • Witwe des Danziger Bürgermeisters klagt an

    „Pawel wurde lebend gegrillt“

    Magdalena Adamowicz, Witwe des ermordeten Bürgermeister von Danzig, erhebt schwere Vorwürfe was die Umstände der Tat angeht.

Doch könnte sein überaus ambitioniertes Programm bei vielen Polen ganz und gar nicht gut ankommen, schließlich legt es sich mit Kohlebefürwortern ebenso an wie mit der mächtigen katholischen Kirche.

Im Grunde will er, liest man sich die Liste seiner geplanten Wohltaten durch, Polen auf links drehen, buchstäblich. Das Problem, sagen Kenner des Landes: Die ohnehin zersplitterte Opposition zerfasert sich weiter, weil Biedroń ihr dringend benötigte Stimmen abjagen dürfte.

Sein Programm

▶︎ Ausstieg aus dem Kohlebergbau bis 2035, um die schlechte Luft in Polen sauber zu bekommen. Das Problem: Sehr viele Jobs und die Energieversorgung hängen daran.

▶︎ Recht auf Abtreibung. Polen hat eines der strengsten Abtreibungsrechte in der EU. Konservative haben Biedroń bereits vorgeworfen, er verwandele Polen in eine „Zivilisation des Todes“. „Polen ist eine Frau“, entgegnete dieser. „Ihr Leiden ist unser Leiden.“

▶︎ Kirche und Staat trennen, Religionsunterricht aus öffentlichen Schulen entfernen. Ein Affront für die katholische Kirche, die in Polen extremen Einfluss hat.

▶︎ Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Finanzierung von In-Vitro-Fertilisationen.

▶︎ Erhöhung des Mindestlohns und Einführung einer Mindestrente von 1600 Złoty (umgerechnet etwa 380 Euro); Kindergeld auch für das erste Kind und für Alleinerziehende.
Die Werte der neuen Partei und deren Programm, so beschreibt Biedroń es denn auch, stünden auf drei Säulen – dem Menschen, der Gemeinschaft und einem Staat, dem man vertrauen könne: Eine kaum verhohlene Kampfansage an die PiS, aber auch an die Opposition.

Und seine Chancen?

Bislang verfügte Polen über keine ausgewiesene links-liberale Partei. Biedroń könnte also in eine breite Lücke stoßen, obschon die Positionen „zwar gemäßigt, aus polnischer Sicht aber in Teilen radikal“ seien, wie die Zeitung „Rzeczpospolita“ anmerkt.

„Mit Biedroń auf der polnischen politischen Bühne ist in der Tat eine neue Realität entstanden“, meint Politikwissenschaftlerin Agnieszka Łada. „Er ist kein polnischer Macron, auch wenn er sich so nennen mag. Aber er hat reelle Chancen, bei den Europawahlen dritte Kraft zu werden“, sagt die Europa-Direktorin im Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau zu BILD.

So schnell dürfte es aber nicht Frühling in Polen werden: Einer am Freitag veröffentlichten Umfrage zufolge käme die Partei bei den Europawahlen auf Platz drei – allerdings mit nur 6,4 Prozent weit abgeschlagen hinter der Bürgerplattform (PO) mit 29,6 Prozent und der regierenden PiS mit 36,2 Prozent.

Dabei könnte er den Etablierten durchaus Stimmen wegnehmen, zugleich Nicht-Wähler gewinnen: „Auch die regierende Partei kann nicht ruhig schlafen“, erklärt Łada und verweist auf Biedrońs Versprechungen in der Sozialpolitik.

„Der Unterschied ist aber, er ist in der Opposition, kann also viel mehr versprechen, weil er zuerst nichts realisieren kann/muss. Die Kosten seiner Versprechen werden sehr teuer – und er sagt nicht, woher das Geld kommen soll.“

Seine klare Kante zwischen Staat und Kirche machten ihn dagegen für liberale Kräfte attraktiv. Biedroń war 2011 über die Liste der anti-klerikalen Partei „Twój Ruch“ (Deine Bewegung) als erster offen schwuler Abgeordneter ins Parlament eingezogen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

„Torpedo Attacke! Torpedo Attacke!“

++ Tanker-Krise im Golf von Oman ++ BILD dokumentiert den dramatischen SOS-Ruf ++ Großbrit…