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Politik - 19.05.2019

„Ich hoffe, du kannstmir verzeihen“

FPÖ-Chef hatte mit falscher Oligarchin über Millionenspenden und Staatsaufträge gesprochen, wurde dabei gefilmt +++ Räumt „typisch alkoholisiertes Machogehabe“ ein, sieht sich aber als Intrigen-Opfer

Quelle: SPIEGEL/Süddeutsche Zeitung
6:11 Min.

Polit-Beben in Österreich!

Österreichs Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat am Samstag seinen Rücktritt aus allen Ämtern angeboten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) werde das Angebot annehmen, sagte Strache. Damit zieht der Chef der rechtspopulistischen FPÖ die Konsequenzen aus der am Vorabend bekannt gewordenen Video-Affäre.

Er wolle, dass der derzeitige Verkehrsminister und Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer seine Ämter übernehme, sagte Strache.

Nach ihm trat auch der FPÖ-Fraktionschef im Nationalrat, Johann Gudenus, von allen politischen Ämtern zurück. Gudenus war als Dolmetscher bei dem Treffen auf Ibiza, das nun die Regierungskrise ausgelöst hat.

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Die Frage ist jetzt, ob Kurz das Bündnis mit der FPÖ fortsetzt oder Neuwahlen will. Gegen 14 Uhr war ein Statement von Kanzler Kurz erwartet worden, bisher allerdings warten tausende Demonstranten in Wien und Pressevertreter aus aller Welt vergebens.

In der Wiener Innenstadt demonstrieren derzeit laut „oe24“ rund 10 000 Menschen – und fordern Neuwahlen!

Hintergrund des Rücktritts: ein 2017 heimlich aufgenommenes Video, in dem Strache einer Frau, die sich als russische oder lettische Oligarchin ausgibt, öffentliche Aufträge in Aussicht stellt – als Dank dafür, wenn sie die „Kronen Zeitung“ kaufen und für die rechtspopulistische FPÖ die Wahlkampftrommel rühren würde. Im Video erwähnt Strache auch illegale Parteispenden, die über eine Stiftung an die FPÖ geflossen sein sollen.

Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ hatten am Freitagabend zuerst über die Affäre berichtet und das Video (hier auf der Seite des „Spiegel“) verbreitet.

Strache sieht sich als Intrigen-Opfer: „Schmutzkübelaktion“

Als Strache um 12.15 Uhr vor die Presse trat, machte er deutlich, dass er sich als Opfer von Diffamierungen und Intrigen sehe. Diese seien „an Perfidie und Niederträchtigkeit nicht zu übertreffen“, sagte er. Später sprach er auch von einer „Schmutzkübelaktion“.

Es seien „illegale Mittel und Methoden“ angewendet worden, um ihn in Misskredit zu bringen, die bekannt gewordenen Aussagen aus dem Skandal-Video seien außerdem „aus dem Gesamtkontext gerissen“ worden. Er betonte außerdem, dass weder er noch Parteifreunde nach diesem Treffen mit der Oligarchen-Nichte jemals wieder Kontakt zu ihr gehabt hätten.

Nach Video-Affäre

Österreichs Vize-Kanzler Strache trittzurück

Quelle: Reuters
1:15 Min.

Er werde „alle rechtlichen Schritte unternehmen“, um die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften, sagte Strache. „Ja, das war ein politisches Attentat, eine Auftragsarbeit“, resümierte er. „Wozu sind die Gruppierungen mit ihrer kriminellen Energie noch zu allem fähig?“, fragte er andeutungsvoll mit Blick auf die ominösen Kräfte, die ihn verleumdet hätten.

Er trete nur zurück, damit das Regierungsprogramm der FPÖ/ÖVP-Koalition weiter umgesetzt werden könne. „Meine Person darf nicht der Grund sein, das zu verunmöglichen“, sagte Strache. Er habe Kanzler Kurz seinen Rücktritt angeboten, „in der Verantwortung für dieses Projekt, Schaden von meiner Familie, meiner Partei und meinem Amt abzuwenden“.

Dennoch entschuldigte er sich bei „allen, die ich in meinem Verhalten enttäuscht habe“ – insbesondere mit Blick auf unbedarfte, schmutzige Äußerungen über andere österreichische Politiker – darunter Kanzler Kurz –, die in den geheimen Aufzeichnungen gefallen sind.

„Kurier“: Kurz will Neuwahlen

Die Tageszeitung „Kurier“ berichtet: Kurz zieht die Reißleine und will Neuwahlen! Der Kanzler wolle nicht mit dem mutmaßlichen Nachfolger von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer, weiterregieren, berichtet die Tageszeitung.

Das Video entstand wenige Monate vor der Nationalratswahl 2017. Damals hatte die ÖVP unter Sebastian Kurz gerade die Koalition mit der SPÖ beendet. Bei der Wahl kam die FPÖ auf 26 Prozent der Wahlstimmen. Seit Dezember 2017 regieren ÖVP und FPÖ gemeinsam.

Mit Blick auf die Europawahl am kommenden Wochenende lag die rechtspopulistische FPÖ zuletzt auf Platz drei mit etwa 23 Prozent – hinter der ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz (29 Prozent) und der sozialdemokratischen SPÖ (27 Prozent/ „Österreich“-Umfrage im Zeitraum 9.–15. Mai).

Das Bündnis legte großen Wert auf eine harmonische Zusammenarbeit. Allerdings gab es auch immer wieder Differenzen. Zuletzt hatte die ÖVP die Nähe der FPÖ zu den rechtsextremen Identitären kritisiert.

Strabag will verlorene Auftragsvergaben nachprüfen

Der Baukonzern Strabag will nach einem Enthüllungsvideo über den FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache die Auftragsvergaben des vergangenen Jahres noch einmal prüfen lassen. Der Strabag-Eigentümer und frühere CEO Hans Peter Haselsteiner sagte der Zeitung „Standard“, er wolle „alle Aufträge des vergangenen Jahres, die wir verloren haben“, genau analysieren.

Deutscher Verfassungsschutz misstraut Österreich

Thomas Haldenwang, Chef des deutschen Verfassungschutzes (BfV), sieht erhebliche Risiken in der Zusammenarbeit mit dem Nachbarland. Der „Welt am Sonntag“ sagte der BfV-Chef, er sehe erhebliche Risiken in der Zusammenarbeit mit dem Nachbarland.

Hintergrund ist die Annahme, dass Österreich geheime Informationen, die es von eigentlichen Partnerländern wie Deutschland erhält, missbräuchlich verwenden und womöglich an Russland weiterleiten könnte.

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