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Politik - 17.01.2019

Gebt den Briten ihren Brexit, ihr EU-Paragraphenreiter!

Nun werden Stimmen laut, „hart“ zu bleiben gegenüber Großbritannien. Dabei schwingen unverhohlen anti-britische Ressentiments durch – unter dem Motto „Ihr gehört doch eh nicht zu Europa, macht Euren Dreck alleine!“

Das ist völlig unverantwortlich.

Großbritannien ist kein Land, das man einfach vom Hof jagen kann, weil uns deren Auffassung von Souveränität nicht passt. Gerade Deutschland ist aus historischen Gründen gut beraten, ein wenig leise zu treten, was dieses stolze Land angeht. Es war das Land, angeführt von Winston Churchill (1874-1965), das als einziges und erstes Hitler die Stirn bot, als Deutschland den Zweiten Weltkrieg vom Zaun brach.

Großbritannien war damals auch das erste Land, das seine Grenzen für deutsche Flüchtlinge jüdischer Herkunft öffnete. Ohne Großbritannien, das seine Söhne für die Freiheit unseres Kontinents opferte, gäbe es das freie Europa nicht.

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Es gibt eine lange Traditionslinie, die britischen Inseln von Europa abzukapseln – Frankreichs Charles de Gaulle (1890-1970) Traum war es, mit dem Vorgänger der EU, der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), eine Art moderne Version eines fränkischen Großreichs à la Karl dem Großen (742-814) zu schaffen – ein europäischer Superstaat explizit ohne Großbritannien. 1963 stellte London den Antrag zum Beitritt zur EWG, wegen des Widerstands de Gaulles dauerte es zehn Jahre, bis Großbritannien endlich aufgenommen wurde. Der Mann, der sich de Gaulles neo-fränkischem Traum entgegenstellte, war unser Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967).

Wo bleibt ein Staatsmann im Format Adenauers heute?

Einer, der auf den Tisch haut, den Bürokraten in Brüssel ihre Paragraphenreiterei um die Ohren haut und eine historische Vision vorzuweisen hat? Einer, der die Junckers und Barniers in die Schranken weist und uns an unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit erinnert, Großbritannien einen Ausstieg zu ermöglichen, der nicht darauf hinausläuft, das Land zu bestrafen? Ein Mann, der an das eigentliche Gründungsideal der EU erinnert: ein Staatenbund, kein Superstaat, ein Staatenbund, der auf die historischen Eigenarten seiner einzelnen Mitglieder Rücksicht zu nehmen weiß.

So schwierig wäre das gar nicht. Selbst die härtesten Brexit-Befürworter wie Boris Johnson haben längst geschluckt, dass ein Austritt aus der EU wohl eine Art Wirtschaftsgemeinschaft mit eben dieser zu bedeuten hat, wenn das halbwegs schmerzlos von statten gehen soll. Es gibt eigentlich nur noch einen Knackpunkt von fast nur symbolischer Bedeutung. Wenn wir den Briten in diesem winzigen Punkt entgegenkommen, ziehen wir den Brexit-Fundamentalisten den Teppich unter den Füßen weg und Premierministerin Theresa May würde den mit Brüssel in zweieinhalbjähriger Mühsal erarbeiteten Vertrag problemlos durchs Parlament bekommen.

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Der Knackpunkt? Nordirland.

Die von Brüssel diktierte Notfall-Lösung („Backstop“) sieht vor, dass Nordirland, falls es nicht zu einer Einigung kommt, eine Art Sonderstatus bekommt und damit de facto in der EU verbleiben würde.

Das ist völlig unakzeptabel für Großbritannien!

Nordirland ist aus Londoner Sicht ebenso ein Teil von Großbritannien wie das Saarland oder Bayern Teil von Deutschland ist. Tonnenweise Blut wurde vergossen, weil sich die Briten drei Jahrzehnte lang gegen die dortigen Separatisten wehrten. Wollen die EU-Bürokraten der Terrororganisation IRA, auf deren Konto mindestens 3700 Tote durch Anschläge gehen (darunter 1800 Zivilisten), rückwirkend zum Sieg verhelfen? Das wäre eine Schande von historischer Dimension.

Die Bürokraten in Brüssel – und auch Kanzlerin Merkel – sagen scheinheilig: Ihr wollt doch selber keine „harte“ Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland – also lasst Nordirland doch im Fall der Fälle „provisorisch“ Teil des EU-Handelsraums sein!

Die Drohung mit der „harten“ Grenze ist ein Skandal. Spätestens seit der Flüchtlingskrise wissen wir, dass Grenzen formell existieren und trotzdem durchlässig sein können. Die einfachste – die unbürokratischste – Lösung wäre, im Fall der Fälle eine Grenze quer über die irische Insel zuzulassen, dort aber eben keine Schlagbäume zu errichten. Eine salomonische Lösung, für die die genau jene Politiker, die uns ständig von der Überflüssigkeit von Grenzen erzählen, die Vision fehlt.

Die EU sollte die Arme jetzt weit öffnen für die Briten! Zollunion ja, jede Form von Sonderstatus für Nordirland nein. Herr Juncker, Frau Merkel: Kommt herunter von Eurem hohen Ross! Ihr badet in dem Triumph, in Frau May einen schwachen Verhandlungspartner gefunden zu haben. Vor lauter Stolz seht Ihr nicht, dass Ihr historische Schuld auf Euch ladet, wenn Ihr Spaß daran findet, dieses stolze Land in die Knie zu zwingen. De Gaulle würde Euch applaudieren. Adenauer dreht sich im Grabe.

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