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Politik - 20.05.2019

„Es geht um das Ansehen Österreichs in der Welt“

Neuwahlen sollen Anfang September stattfinden – Kanzler Kurz nach Krisentreffen in der Wiener Hofburg: „Wir müssen handlungsfähig bleiben“

Österreich muss nach dem spektakulären Ende der rechts-konservativen Koalition eine neue Regierung wählen.

„Ich plädiere für vorgezogene Neuwahlen zu Beginn des September“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Sonntag nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Auslöser ist der Rücktritt von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach der Veröffentlichung eines Videos, in dem Strache einer vermeintlichen russischen Millionärin offenbar Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellt.

„Die Neuwahl ist richtig und unumgänglich“ sagte van der Bellen nach dem Krisentreffen mit Kurz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

„Es geht jetzt um das Ansehen Österreichs in Europa und der ganzen Welt“, sagte der Präsident. Die Regierung müsse das Vertrauen wiederherstellen.

Ähnlich äußerte sich Kanzler Kurz: „Wir müssen handlungsfähig bleiben“.

„Die Neuwahlen waren kein Wunsch, sie waren eine Notwendigkeit“, sagte Kurz:
„Es müssen alle Verdachtsfälle, die sich aus dem Video ergeben, geprüft werden“.

Kurz will in den nächsten Tagen mit dem neuen FPÖ-Chef Hofer und allen anderen Parteichefs reden.

  • Kommentar

    Worin der Wert des Skandal-Videos liegt

    Einer Gesellschaft trotzdem Orientierung zu geben, ist eine der größten und schwierigsten Herausforderungen für Politiker.

Mit dieser Entscheidung steht die Alpenrepublik und damit auch Europa vor etlichen Fragen: Bleibt Kurz an der Regierungsspitze? Mit wem kann er regieren? Und was bedeutet die Ösi-Krise für die Europawahlen am 26. Mai?

Skandalvideo um Strache löst Regierungskrise aus

Hintergrund für den Bruch mit der FPÖ: Videoaufnahmen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei einem geheimen Treffen mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte.

Im Video macht Strache der Frau ein Angebot: Die Oligarchen-Nichte soll die einflussreiche „Kronen Zeitung“ kaufen und die Berichterstattung im Sinne der FPÖ beeinflussen. Im Austausch wollte Strache ihr öffentliche Bauaufträge zuschachern.

Das Skandal-Video

Ibiza-Affäre um FPÖ-Chef Strache

Quelle: SPIEGEL/Süddeutsche Zeitung
6:11 Min.

Österreichischen Medien zufolge hatte Kurz zuvor noch das Gespräch mit der FPÖ gesucht. Das Ziel: Die Koalition durch einen Personalwechsel retten. Laut „oe24“ hatte Strache Verkehrsminister Norbert Hofer als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Kurz habe dies aber abgelehnt. „Der Standard“ berichtet außerdem, Kurz habe gefordert, dass Herbert Kickl als Innenminister geht – und war damit bei der FPÖ auf Ablehnung gestoßen.

In seiner Rede am Samstag bilanzierte Kurz schließlich: Die FPÖ schade dem Reformprojekt seiner Regierung. „Sie schadet auch dem Ansehen unseres Landes.“ In den Gesprächen mit der FPÖ, habe er nicht den Eindruck gewonnen, dass die Partei zu grundlegenden Veränderungen bereit sei. „Die FPÖ kann es nicht“, die SPÖ teile seine inhaltliche Ausrichtung nicht und die kleinen Parteien reichten nicht, sagte Kurz am Samstag.

Wer könnte mit wem regieren?

Offiziell will Kurz im Wahlkampf keine Koalition ausschließen, wie „oe24“ berichtet. Am wahrscheinlichsten sei aktuell aber eine Koalition mit der liberalen Partei „Neos“. Selbst eine Dreierkoalition mit Neos und Grünen sei „nicht ausgeschlossen“, sagte ein VP-Mann zu „oe24“.

Die österreichischen Sozialdemokraten der SPÖ hoffen dagegen auf eine neue Chance, in die Regierung zurückzukehren, die ÖVP steht dieser Koalition aber zurückhaltend gegenüber. „oe24“ hält auch eine erneute Koalition mit der FPÖ nicht für völlig ausgeschlossen – dann müsste an der Parteispitze aber ein gehöriger Personalwechsel stattfinden.

  • Regierungskrise in Österreich

    Darum geht es in dem Video mit der falschen Oligarchin

    Vize-Kanzler Strache bot einer angeblichen reichen Russin Aufträge für Wahlkampfhilfe an – und wurde dabei gefilmt.

  • Polit-Beben in Österreich

    Böhmermann kannte Skandal-Video schon vor Wochen

    Die Ibiza-Affäre erschüttert Österreichs Politik. Und plötzlich klingen Böhmermanns Worte von vor einigen Wochen wie eine Ankündigung!

Was heißt die Ösi-Krise für Europa?

Eine Woche vor der Europawahl erschüttert die Regierungskrise nicht nur die Österreich, sondern auch seine europäischen Nachbarn. Während die rechtspopulistischen Parteien Europas, der FPÖ den Rücken stärken und ihre Unterstützung bekunden, betonen die Mitglieder anderer Parteien, die Gefahr die von rechts ausgehe:

▶ ︎Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD, 52) zu „Bild am Sonntag“: „Rechtspopulisten sind die Feinde der Freiheit. Mit Rechtspopulisten gemeinsame Sache zu machen, ist verantwortungslos.“ Mit Blick auf die Europawahl forderte er zu einem deutlichen Bekenntnis gegen Rechtspopulisten auf.

▶︎Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 64) äußerte sich nicht konkret zur Regierungskrise in Österreich, erklärte allerdings bei einer Pressekonferenz in Zagreb: Zur Politik der Rechtspopulisten gehöre, „dass Minderheiten nicht geschützt werden, dass elementare Menschenrechte infrage gestellt werden, Käuflichkeit von Politik eine Rolle spielt“. Weiter kritisierte Merkel, populistische Strömungen in Europa wollten, „das Europa unserer Werte zerstören“ und forderte „dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen“.

▶ ︎EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU, 46) lobte die Entscheidung von Kurz. Dieser zeige damit Rückgrat, schrieb der CSU-Politiker am Samstagabend auf Twitter. „Die EVP steht klipp und klar zu ihren Werten. Die unpatriotischen Nationalisten verkaufen ihre Länder und Werte.“

▶︎Laut FDP-Europakandidatin Nicola Beer (49) zeige die Affäre, mit welch „windigen Politikern und Parteien“ die AfD in Europa gemeinsame Sache machen wolle.

▶︎ AfD-Chef und Spitzenkandidat Jörg Meuthen (57) betonte am Rande einer Kundgebung in Mailand, er stehe weiter zur FPÖ. Er werde der Partei nun nicht „in den Rücken fallen“ aufgrund einer „singulären Angelegenheit“.

▶︎ Vertreter der neuen Allianz europäischer Rechtspopulisten, zu der auch die FPÖ gehört, reagierten zurückhaltend. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärte, dies sei eine Sache der österreichischen Innenpolitik.

Nach bisherigen Prognosen war mit einem starken Abschneiden der Rechtspopulisten bei der Europawahl zu rechnen. Die Regierungskrise in Österreich um die rechtspopulistische FPÖ könnte allerdings einen Dämpfer bedeuten.

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