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Politik - 26.10.2018

Ein Vorkämpfer für Freiheit war Mordopfer Khashoggi nicht

Die Ermordung Jamal Khashoggis im saudischen Konsulat in Istanbul ist eine verabscheuungswürdige Tat. Empörung und Proteste sind angebracht. Das Einfordern deutlicher Reaktionen des Westens ist richtig.

Ein Verfechter von Toleranz, weltlich, weltweit eingeforderter (und empörend selten verwirklichter) Menschenrechte war Khashoggi aber nicht. Seine verbrecherische Ermordung verwandelt ihn (leider) nicht in einen Vorkämpfer für Freiheit und demokratische Reformen.

Bekannt sind seine Sympathien für den Mega-Terroristen Osama bin Laden sowie seine engen Kontakte zu islamistischen Hasspredigern: „Ich brach weinend zusammen“, twitterte Khashoggi, nachdem er erfahren hatte, dass ein US-Kommando bin Laden in Pakistan getötet hatte. Das berichtet die zuverlässige „New York Times“ (14. Oktober 2018).

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Ein Blick auf Khashoggis Kolumnen in der „Washington Post“ ermöglicht ebenfalls ein differenzierteres Bild des „Reformers“.

Khashoggi schrieb seit September 2017 monatlich einen oder zwei Beiträge für die „Washington Post“. Aus dem Exil übte er scharfe (und berechtigte!) Kritik an Kronprinz Mohammed bin Salman. Er prangerte die Korruption in der arabischen Welt an und forderte, ebenfalls zu Recht, Demokratie und freie Presse.

Darüber hinaus gab es aber auch weniger zustimmungswürdige Punkte: Erdogans militärisches „Stabilisieren“ des nordsyrischen Gebiets um Afrin nannte Khashoggi am 3. Juli 2018 ein Vorbild für Süd-Syrien.

Ganz offen unterstützte Khashoggi in der eigentlich grundliberal, toleranten „Washington Post“ am 28. August 2018 die radikalislamische Muslimbruderschaft: Deren Bekämpfung sei „nicht weniger als die Abschaffung von Demokratie und eine Garantie dafür, dass die Araber weiter unter autoritären und korrupten Regimen leben werden“.

Und weiter: „Dies bedeutet daher auch das Fortbestehen tieferliegender Ursachen von Revolution, Extremismus und Flüchtlingsbewegungen, die die Sicherheit Europas und der Welt beeinträchtigt haben. Der Terrorismus und die Flüchtlingskrise haben die politische Stimmung im Westen verändert und der extremen Rechten zu Bedeutung verholfen.“

Im Klartext: Wer keine Muslimbrüder will, bekommt die AfD, Le Pen, Brexit, Lega Nord, Geert Wilders, Flämischen Block, Schwedendemokraten und Trump als Quittung.

Khashoggi folgerte: „In keinem arabischen Land wird es politische Reformen und Demokratie geben können, ohne dass der politische Islam ein Teil davon ist.“ Verkürzt: keine Demokratie ohne politischen Islam – den für ihn stets die Muslimbrüder repräsentierten. Er verurteilte daher deren (blutige) Absetzung in Ägypten und sprach sich gegen eine mögliche Bezeichnung der Muslimbruderschaft als terroristische Organisation aus.

Man sollte nicht vergessen, dass Khashoggi sich seiner liberalen Leserschaft bewusst war und seine Artikel daher sozusagen filterte. Dies wird im Vergleich mit einem Auftritt bei „Al Jazeera“ am 22. November 2017 deutlich. Khashoggi forderte hier unumwunden, dass Saudi-Arabien seine extremislamische, wahabitische Identität stärken und Allianzen mit Bewegungen des politischen Islam, z. B. der Muslimbruderschaft, eingehen müsse – nicht zuletzt, um der iranischen Bedrohung zu begegnen.

Als Führungsmacht der arabischen Welt solle Saudi-Arabien dann, so Khashoggi weiter, den Kampf der Palästinenser gegen Israel unterstützen. Er kritisierte daher die Entscheidung, auch israelfreundliche Stimmen in den saudi-arabischen Medien zuzulassen.

▶︎ Seine Aussagen zu Israel lassen den freiheitlich-demokratischen Anstrich rasch bröckeln.

  • Der Fall Khashoggi

    Schlimmer als jeder Horrorfilm

    Aufzeichnungen sollen belegen, dass Khashoggi von einem Killerkommando gefoltert und mit einer Knochensäge zerteilt wurde.

Ähnlich äußerte er sich in einer seiner Kolumnen für die saudi-arabische Zeitung „Al Hayat“, die für den „Middle East Editor“ häufig ins Englische übersetzt wurden. Am 28. Juli 2014 begann er mit der Feststellung: „Wir, die Araber, haben seit mehr als 70 Jahren nie ernsthaft gegen Israel gekämpft.“

Kurz und halbherzig seien die Kriege gewesen. Wie einst in Algerien, Vietnam oder Irland müsse die arabische Welt ausdauernd Israel bekriegen. Die terroristische Hamas, einen Ableger der Muslimbruderschaft, spornte er folgerichtig an, noch mehr Blut, Schweiß und Tränen in Kauf zu nehmen, um Palästina zu befreien.

Er pries ihre fortwährende Selbstaufopferung, bezeichnete deren Angriffstaktiken auf Israel als „brillant eingesetzt, um dem Feind beispiellose Verluste zuzufügen“ und forderte, dass bei günstiger Gelegenheit „die Araber den zähen palästinensischen Kämpfer unterstützen“ müssten.

Man mag über Politik im Nahen Osten streiten, aber schaut man über einen längeren Zeitraum auf Khashoggis Äußerungen, findet sich weder „wertegeleiteter Realismus“ – nach westlichem Verständnis – noch ein „kraftvolles Bekenntnis zu Freiheit und demokratischen Reformen in der arabischen Welt“. In Khashoggis Nahem Osten war kein Platz für Schiiten und Juden.

▶︎ So inakzeptabel der Mord an Khashoggi und so verständlich der Wunsch nach „Demokratie und Reformern in der Arabischen Welt“, ein verehrenswertes Vorbild war Khashoggi nicht.

Auch der Fall Khashoggi lehrt: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“ Wer zu Gewalt aufruft, wird ihr Opfer. Khashoggi ähnelte dem Zauberlehrling. Der rief die Geister – und wurde sie nicht los.

★★★

*Die beiden Autoren sind Historiker und Gründer der Walther-Rathenau-Akademie für Politisch-Wirtschaftliche Risikoanalysen.

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