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Politik - 03.03.2019

Die Menschen fliehen mit Bett auf dem Rücken vor Maduro

Quelle: BILD
2:33 Min.

Die Lebensader zwischen dem Krisenstaat Venezuela und Kolumbien beginnt gleich hinter der Polizeistation. Die offizielle Grenze ist zwar seit Tagen geschlossen. Doch gleich neben der verwaisten Simon-Bolivar-Grenzbrücke führt ein schmaler Pfad zum Grenzfluss. Der staubige Weg bietet für mitleidende Venezolaner die einzige Chance, jenseits der Grenze in Cucuta (Kolumbien) das Nötigste zu kaufen.

Die Szenerie ist so dramatisch wie bizarr. Eine Menschenkarawane wälzt sich auf dem Feldweg, der sich durch das dichte Gestrüpp der Flusslandschaft windet. Und das nur 300 Meter vom Grenzposten auf der Brücke entfernt, wo Soldaten der venezolanischen Nationalgarde in Stellung gegangen sind.

Viele Venezolaner tragen so viel, wie aus menschlicher Kraft möglich ist: Packung mit Fleisch, Hühnern und Pasta, Früchte, Medikamente, Windeln. Einige schleppen Möbelstücke und Matratzen durch die Wildnis. Ein Mann hat sich sogar ein ganzes Bett am Rücken geschnallt. Und das bei einer Gluthitze von 36 Grad.

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Es sind Bilder eines Armutstreks, wie man sie von großen Hungerkrisen kennt.

„Wir müssen das jeden Monat machen“, sagt eine Frau: „Es ist die einzige Möglichkeit, an das Nötigste zu kommen“. Die inflationäre Landeswährung Bolivar haben die Leute längst in kolumbische Pesos umgetauscht. Oder ander Devisen. Der Einkauf in Kolumbien ist zwar dreimal so teuer, doch man habe keine Wahl.

Als der BILD-Reporter fragt, ob Machthaber Nikolas Maduro abtreten soll, lachen alle verlegen und gehen rasch weiter.

Klar ist: Hier geht es nicht um Politik, sondern ums Überleben.

Aber wie bleibt ein derart offensichtlicher und illegaler Schleichweg überhaupt offen? „Das wird hier von lokalen, bewaffneten Milizen kontrolliert, die sich bezahlen lassen“, erklärt ein Schleuser, der sich „Jimmy“ nennt. Er spricht fließend Englisch, hat lange in New York gelebt, als er vor zehn Jahren nach Venezuela abgeschoben wurde.

„Die Gruppe ist selbst für Maduro unantastbar“, sagte er. Das ist wie ein Mautsystem: Man bezahlt und kann durch, erklärt er. Für das Regime ist die poröse Grenze eine Blamage, für die Not leidende Bevölkerung ein Segen. Jimmy selbst hilft hunderten Menschen pro Tag beim grenzüberschreitenden Einkaufstrip: „Damit kann man ganz gut verdienen“, lacht er.

Tausende Menschen passieren hier völlig unkontrolliert die Grenze. Die markiert der fast ausgetrocknete Tachira-Fluss. Beim Überqueren springen die Menschen mit den Lasten über die Steine im Flussbett und tasten sich durch die Geröllhalde. BILD gelang es ebenfalls mühelos, die Grenze kurzfristig zu überqueren. Vor dem Weitergehen zum venezolanischen Flussufer wird jedoch gewarnt: „Da sind Bewaffnete“, sagt einer der Schleuser. „Du siehst sie nicht, aber sie sehen dich.“ Und für Journalisten sind die Gefahren in Venezuela derzeit besonders groß.

Zurück in Kolumbien bereitet sich die Polizei gerade auf mögliche neue Straßenschlachten auf der Simon-Bolivar-Brücke vor: Elite-Einheiten marschieren mit martialisch aussehenden, gepanzerten Uniformen zu ihren Posten, ein Panzerwagen wurde in Stellung gebracht.

Hier war es am Wochenende zu einer der schlimmste Krawallszenen der jüngsten Venezuela-Krise gekommen: Maduro-Gegner wollten den Weg freikämpfen für Hilfslaster, die venezolanischen Sicherheitskräfte schossen mit Tränengas-Granten und Gummigeschoßen zurück. Die Kolumbianer wollen jetzt offenbar weitere Ausschreitungen verhindern: Ein Areal unter der Brücke, wo zuletzt Brandbomben und Wurfgeschosse hergestellt wurden, ist ab geriegelt.

Ein Polizist observiert mit einer Drohne die Gegenseite: Das Fluggerät ist hoch über der Grenze aufgestiegen, der Grenzer fängt auf einem Tablet Luftaufnahmen ein. Man will über die Truppenbewegungen auf der anderen Seite informiert sein.

Bis zu 10 000 Flüchtlinge befinden sich in der Grenzstadt, so Schätzungen. Viele sind in teilweise bestens organisierten Lagern katholischer Hilfsorganisationen untergebracht. Wenn man mit Flüchtlingen spricht, wird rasch klar, dass ihnen der Schrecken vor dem langen Arm des Maduro-Regimes in den Knochen sitzt. Kaum wer will sich fotografieren lassen, auch selbst nicht, wenn versichert wird, dass der Beitrag im fernen Deutschland erscheint.

„Die spionieren alles aus, rund um die Welt“, sagt der Flüchtling Gustave: „Und dann holen sie dich ab, oder verfolgen deine Familie“. Er erzählt von Foltergefängnissen: Wer dort landet, komme nie mehr raus.

Der Aktivist Jahir ist so frustriert über die andauernde Pattstellung, dass er sogar eine Militärinvasion der Amerikaner in Kauf nehmen würde. „Wir alle hoffen auf eine freundliche Lösung, aber wenn sich Maduro weigert, dann nehmen wir auch einen Krieg in Kauf.“

Neue Proteste an Karnevalstagen

Am Freitag verhängte die US-Regierung weitere Strafmaßnahmen gegen Personen aus dem Umfeld Maduros. Die Sanktionen treffen sechs führende Vertreter aus dem Sicherheitsapparat des Krisenlandes. Sie hätten die Blockade von Hilfslieferungen gesteuert und so die humanitäre Krise des Landes verschärft, hieß es zur Begründung.

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Quelle: Reuters
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