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Politik - 19.01.2019

Deutschland will in der Krim-Krise vermitteln

Ein vordergründig freundlicher Empfang – doch die Differenzen zwischen Berlin und Moskau wurden bei der Reise des deutschen Außenministers schnell deutlich.

Im Mai 2018 hatten Maas und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow den Antrittsbesuch in Moskau noch mit steinernen Visagen und distanzierten Ansprachen absolviert. Denn Maas hatte nur wenige Tage zuvor in einem Interview Russlands Verhalten als „zunehmend feindselig“ kritisiert. Eine vorsichtige Umschreibung angesichts zerbombter syrischer Städte und 10.000 Toten in der Ukraine. Aber Lawrow (sowie viele SPD-Genossen) war offensichtlich nicht erfreut. Maas hatte mit dem wohlwollenden Kurs der Vorgänger Gabriel und Steinmeier gebrochen.

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Doch bei Maas’ zweiter Moskau-Reise am Freitag schienen die Spannungen des Anfangs zunächst fast vergessen. Der deutsche Außenminister war kurzfristig angereist, um Russland zum dringenden Einlenken in der Krise um den Rüstungskontrollvertrag INF zu bewegen. Zwar sprach er mit seinem Amtskollegen auch über die Lage in Syrien und der Ukraine, doch mit öffentlicher Kritik an Russlands Aggressionen hielt sich der deutsche Außenminister am Freitag zunächst zurück.

Nach über einer Stunde unter vier Augen traten die Außenminister vor die Presse für eine erste Erklärung und kündigten an, die „konstruktive Zusammenarbeit“ in internationalen Fragen weiter auszubauen.

„Die Bilanz der Zusammenarbeit der letzten Jahrzehnte ist eine positive“, eröffnete Lawrow die erste Runde. Und schon in den ersten Tagen des neuen Jahres sei eine intensive Weiterentwicklung zu verzeichnen.

Man habe im Januar einen Stand bei der Grünen Woche in Berlin, plauderte Lawrow, und lobte den erfolgreichen Start des deutsch-russischen Themenjahres der Hochschulkooperation und Wissenschaft. „Unsere enge Zusammenarbeit bei regionalen und internationalen Themen gewinnt an Aktualität durch Deutschlands Sitz im UN Sicherheitsrat.“

Außenminister @HeikoMaas: Bei der Zukunft des INF-Vertrags ist Moskau am Zug. Wir begrüßen, dass #Russland und die USA weiter miteinander sprechen wollen. Moskau kann den Vertrag retten, wenn es verifizierbar abrüstet. pic.twitter.com/LOkYahU5Re

— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) January 18, 2019

Russland zählt zu den fünf ständigen Mitgliedern mit Vetorecht im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen. Deutschland hat seit dem 1. Januar für zwei Jahre einen der zehn wechselnden Sitze. Wegen massiver Differenzen zwischen den westlichen Mitgliedern und Russland ist der Sicherheitsrat seit Jahren in zentralen Fragen blockiert.

„Lieber Sergej“, begann Maas die Ansprache an seinen Amtskollegen im Weißen Saal von Lawrows Gästehaus. An der Decke hängen schwere Kristalleuchter, die Wände mit opulentem Stuck, das Parkett mit Intarsien verziert.

„Ich erinnere mich gerne an unsere gemeinsamen Tage in Berlin, als wir das deutsch-russische Jahr der kommunalen Partnerschaften abschlossen und das Themenjahr der Hochschulzusammenarbeit einläuteten“, resümierte Maas.

„In den letzten Monaten hatten wir eine Vielzahl bilateraler Gespräche und gemeinsamer Initiativen. Es gibt ein großes Bedürfnis in der deutschen Zivilgesellschaft nach einem guten Miteinander, dafür wollen wir die Grundlage halten.“

Und Maas weiter: „Auf Deutschland wird nun mehr Verantwortung zukommen, dem wollen wir uns auch stellen.“ Bei internationalen Themen wolle man sich in der kommenden Zeit eng abstimmen.

Maas appelliert an Vertragstreue Russlands

Ein besonders gravierender Streit zwischen dem Westen und Russland: Die Nato wirft Moskau den Bruch des INF-Vertrags vor. Der 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossene Abrüstungsvertrag sieht die Abschaffung aller bodengestützten, nuklear bestückbaren Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern vor.

Russland habe mit seinem Raketensystem 9M729 gegen den Vertrag verstoßen, so der Vorwurf der Nato. Die USA hatten Moskau deshalb ein Ultimatum gesetzt, um zu den Bestimmungen des Vertrags zurückzukehren. Die Frist läuft in wenigen Tagen aus.

Die Forderung aus Berlin: Nachweisliche Abrüstung des taktischen Boden-Boden-Raketensystems. Maas appellierte eindringlich an seinen Amtskollegen, die Bestimmungen zu erfüllen, sprich: nachprüfbar abzurüsten.

Der russische Außenminister wies den Vorwurf des Vertragsbruchs im offiziellen Auftritt vor der Presse vehement zurück und behauptete, Russland halte den Vertrag sehr transparent ein. „Stets waren wir bestrebt, den Vertrag am Leben zu halten“, sagte Lawrow. „Trotzdem werden wir sehr grob dabei zurückgewiesen und erhalten dazu ein Ultimatum.“

Maas hielt dagegen, dass die Vorwürfe nicht neu seien, sondern dass die Gespräche über mögliche INF-Verletzungen durch Russland schon seit der Amtszeit von Trumps Vorgänger Barack Obama laufen. Und auch die anderen Nato-Staaten seien sich einig.

Es habe immer wieder Hinweise und Nachfragen gegeben, die nicht zufriedenstellend, sondern nur Stück für Stück beantwortet worden seien, sagte Maas – mittlerweile leicht entnervt – in Richtung seines Amtskollegen. Wenn es tatsächlich so sei, wie Russland behaupte, hätte man die Vorwürfe ja schnell aus der Welt räumen können. Nun habe man nur noch wenige Tage, um den Vertrag zu retten. „Die Vertragstreue kann nur hergestellt werden, wenn diese Marschflugkörper nachprüfbar abgerüstet werden, deshalb begrüße ich, dass Russland gesprächsbereit ist.“

Darüber hinaus wolle die Bundesregierung aber eine internationale Debatte über Rüstungskontrollarchitektur anstoßen, betonte Maas in Moskau mehrmals. Der INF-Vertrag sei zwar ein wichtiges Element in der Sicherheitspolitik Europas, doch genüge er den gegenwärtigen Anforderungen alleine nicht mehr.

Neben China gebe es auch andere Länder, die im Bereich atomarer und autonomer Waffen sowie im Cyberraum entsprechende Entwicklungen vorweisen würden. Sie sollen Teil einer neuen Kontrollarchitektur werden, die die Bundesregierung anregen wolle.

Deshalb plane die Bundesregierung eine Konferenz zu modernen Waffen und ihrer Kontrolle im März in Berlin.

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Deutschland will in Krimkrise vermitteln

Ein weiterer Streitpunkt: die Lage in der Ukraine. Die Umsetzung des Minsker Abkommens stocke, weil die Ukraine ihre Pflichten grob verletze, behauptete Lawrow und forderte Deutschland und Frankreich auf, auf Kiew einzuwirken.

Maas verwies auf die 24 ukrainischen Seeleute, die noch immer von Russland festgehalten werden: Die Bundesregierung sei weiterhin der Auffassung, dass sie umgehend freigelassen werden müssten. Deutschland und Frankreich könnten zudem dokumentieren, dass die freie Durchfahrt durch die Straße von Kertsch gewährleistet sei, sagte Maas, was bei Lawrow auf wenig Zustimmung traf. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin befand den Vorschlag für ungenügend. Es sei eine „reale internationale Kontrolle“ nötig, um den freien Schiffsverkehr in der Meerenge von Kertsch zu garantieren.

Streitpunkt Syrien

In Moskau bemühte Maas zudem wieder die Formel von „allen Akteuren“, die auf das syrische Regime von Diktator Assad einwirken müssten. „Die internationale Abstimmung ist uns da wichtig, auch mit dem neuem UN-Sondergesandten“, sagte Maas. Besonders die Lage in Idlib und der humanitäre Zugang zu den gut drei Millionen Zivilisten in der umkämpften nordsyrischen Provinz seien Gesprächsthema mit Lawrow gewesen.

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Lawrow ergänzte zynisch, man habe „Sorgen dass in Idlib alle Vereinbarungen zum Trotz die dschihadistische HTS die Oberhand gewinnt und dadurch die demilitarisierte Zone verletzt wird“. Man müsse die Gebiete an das Regime übergeben, um die Ausbreitung von Terroristen zu verhindern.

Dasselbe gelte für das Flüchtlingscamp Rukban im Süden des Landes, in dem 50 000 Menschen von den Todesschwadronen des Assad-Regimes bedroht seien. Auch diesen Zivilisten könne man keine humanitäre Hilfe zukommen lassen, da sich in der amerikanischen geschützten Enklave „Banditen“ aufhielten, so Lawrow.

Nächstes Ziel: Washington

Für die kommende Woche plant Außenminister Maas eine Reise nach Washington, dort wird er voraussichtlich seinen amerikanischen Amtskollegen Mike Pompeo treffen. Wichtigstes Thema wohl auch dann: der INF-Vertrag und das Verbot atomarer Mittelstreckenraketen.

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