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Politik - 07.05.2019

Bürgermeister: Neuwahlen in Istanbul sind „Verrat“

Massive Kritik aus Europa

Wahl-Hammer in der Türkei!

Die Abstimmung über das Bürgermeisteramt in Istanbul muss wiederholt werden. Das entschied die türkische Wahlkommission nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Die Wahl vom 31. März ist damit annulliert.

Grund: Die AKP von Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (65) hatte den Urnengang angefochten und die Wiederholung gefordert – wegen angeblichen Wahlbetrugs. Ständig hatte der Präsident diesen Vorwurf wiederholt und massiv Stimmung gemacht. Nun wurde diesem Antrag stattgegeben. Erdogan und seine Partei haben damit den Wunsch nach Neuwahlen in der Millionen-Stadt durchgesetzt.

Nach dem offiziellen Ergebnis hatte die Erdogan-Partei in der Metropole knapp verloren. Demnach gewann AKP-Kontrahent Ekrem Imamoglu (48) die Wahl mit einem Vorsprung von 13 729 Stimmen. Am 17. April war er zum Bürgermeister der Stadt gekürt worden. Seine Partei, die CHP, zeigte sich am Montagabend alarmiert – berief eine Krisensitzung ein!

Imamoglu bezeichnet die Entscheidung der türkischen Wahlbehörde für eine Wiederholung der Bürgermeisterwahl in der Millionenmetropole als „Verrat“. „Sie versuchen die Wahl, die wir gewonnen haben, zurückzunehmen“, sagte Imamoglu am Montag vor tausenden Anhängern in Istanbul. „Vielleicht seid ihr aufgebracht, aber verliert nie eure Hoffnung.“

In mehreren Bezirken Istanbuls standen die Menschen an den Fenstern und schlugen auf Töpfe und Pfannen – eine Protestform, die sich während der regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 etabliert hatte. Wellenartig sei das blecherne Klopfen zu hören gewesen, zog von Straße zu Straße, berichten Augenzeugen.

CHP-Vizechef Onursal Adigüzel erklärte nach der Entscheidung: „Das hat mit Demokratie nichts zu tun. Die Entscheidung der Wähler mit den Füßen zu treten und die Justiz nicht anzuerkennen – das ist ein diktatorisches System“.

► Hintergrund: Mehrere Versuche der Erdogan-Partei, die Stimmen in ganz Istanbul neu auszählen zu lassen, waren gescheitert.

Massive Kritik auch aus Europa

Die EU hat die zuständige Wahlkommission dazu aufgerufen, unverzüglich Einblick in die Gründe ihrer Entscheidung zu gewähren. „Die Begründung für diese weitreichende Entscheidung, getroffen in einem höchst politisierten Kontext, sollte unverzüglich einer öffentlichen Untersuchung zugänglich gemacht werden“, erklärten die EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini (45) und Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn (61).

Auch der Europarat kritisiert die türkische Wahlbehörde für ihre Entscheidung. Generalsekretär Thorbjorn Jagland (68) erklärte: „Die Entscheidung des Hohen Wahlrates hat das Potenzial, das Vertrauen der türkischen Wähler in die Wahlbehörden schwer zu beschädigen.“ Die notwendigen Voraussetzungen für freie und faire Wahlen müssten vor dem Wahltag überprüft werden und nicht danach.

Die Bundestags-Vizepräsidentin, Claudia Roth (63), äußerte sich empört: „Die Entscheidung der Wahlkommission ist auch Ergebnis massivsten Drucks von ganz oben. Das Signal ist verheerend: Gezielt scheinen Präsident Erdogan und seine AKP all jene eines Schlechteren belehren zu wollen, die nach der Kommunalwahl auf einen demokratischen Wandel gehofft hatten“. Offenbar solle nicht einmal mehr der Anschein demokratischer Verhältnisse aufrecht erhalten, sondern Vertrauen bewusst erschüttert werden.

Kritik kam auch von der Linken und der FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nicola Beer (49). Sie schrieb auf Twitter: „Erdogan akzeptiert die Niederlage nicht. So ist die Türkei kein Partner mehr für die EU!“

Die Linken-Chefin Katja Kipping (41) schrieb auf Twitter: „Unglaublich, Erdogan lässt in Istanbul neu wählen, weil ihm das Ergebnis nicht passt. Die Bundesregierung sollte dem gewählten neuen Bürgermeister Imamoglu jetzt den Rücken stärken!

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    Die wirtschaftliche Lage in der Türkei wird immer schlechter und das bringt Präsident Recep Tayyip Erdogan in Bedrängnis.

Istanbul hat große Bedeutung für Erdogan

Bei den Kommunalwahlen am 31. März hatte die AKP neben der Hauptstadt Ankara Touristenhochburg Antalya und die fünftgrößte Stadt Adana verloren. Doch besonders die Niederlage in Istanbul ärgerte Erdogan.

Erdogan selbst hatte 1994 als Chef der Stadtregierung am Bosporus seinen Aufstieg an die Staatsspitze begonnen. Hier gab die Partei lange den Ton an. Wer Istanbul beherrscht, beherrscht die Türkei, ist Erdogans Motto, mit dem er auch Wahlkampf machte.

In den vergangenen Tagen hatte Erdogan immer wieder Neuwahlen gefordert. „Meine Bevölkerung sagt mir, dass wir neu wählen müssen in Istanbul. Es sind krumme Sachen passiert“, sagte er auf einer Veranstaltung.

Angeblich habe seine AKP drei Koffer mit Beweisen für die behauptete Wahlfälschung übergeben. Worin genau die Manipulation bestanden haben soll, wurde bislang nicht im Detail bekannt.

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