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Politik - 16.11.2018

Britische Regierung stimmt Entwurf für Brexit-Abkommen mit EU zu

Angeschlagen: Premierministerin Theresa May am Abend vor Downing Street 10 in London. (Quelle: Matt Dunham/AP/dpa)

Theresa May hat sich mit ihren Brexit-Plänen im eigenen Kabinett durchgesetzt. Nun aber steht ihr eine noch härtere Prüfung im Parlament bevor.

Fünf Stunden lang berieten Theresa May und ihre Minister in der Downing Street Nummer 10. Am Ende stärkten sie ihrer Regierungschefin mehrheitlich den Rücken – und stimmten für den Entwurf für ein Austrittsabkommen mit der Europäischen Union, auf das sich die Unterhändler aus London und Brüssel tags zuvor geeinigt hatten.

Es war kurz nach 19 Uhr Ortszeit (20 Uhr MEZ), als die Premierministerin in London vor die Presse trat. Ihr Kabinett habe den Entwurf angenommen, erklärte May. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen. Aber es sei das bestmögliche Abkommen, das habe ausgehandelt werden können. Nachverhandlungen schloss die Regierungschefin aus: „Entweder dieser Vertrag oder kein Vertrag oder kein Brexit.“

Die Chancen auf einen geordneten Brexit sind damit deutlich gestiegen. Die EU-Kommission sah ausreichenden Fortschritt erreicht, um einen Brexit-Sondergipfel einberufen zu können – nach Angaben von Diplomaten voraussichtlich am 25. November. Kommt der Vertrag zustande, wäre ein geordneter Austritt am 29. März 2019 gesichert sowie eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020, in der sich fast nichts ändert.

Für May geht es um ihr politisches Überleben

Gegen Mays Verhandlungsführung hatte sich zuletzt parteiübergreifend massiver Widerstand formiert. Deshalb geht es in dem britischen Polit-Drama längst nicht nur um den Austritt aus der Europäischen Union, sondern auch um das Schicksal der Regierung. Einige britische Minister hätten „große Vorbehalte“ gegen den Entwurf, hieß es. Medien spekulierten über mögliche Rücktritte. Diese blieben zunächst aus.

Zudem machten am Abend Berichte über einen Misstrauensantrag gegen May die Runde. Die Brexit-Anhänger in Mays konservativer Partei seien derart verärgert und würden nun ihre Zurückhaltung gegenüber der Regierungschefin aufgeben, berichteten die BBC und andere Medien. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass May ein Misstrauensvotum verlieren würde.

Bei einer Fragestunde im Parlament hatte May das Abkommen zuvor verteidigt. Es sei ein „guter Deal“ für Großbritannien, sagte sie. Mays Parteifreund und Erz-Brexiteer Peter Bone warnte hingegen, sie werde „die Unterstützung vieler Konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren“.

Juncker sieht verhandlungen fast am Ziel

Umstritten an dem , dürfte vor allem die Passage zur Lösung der Irland-Frage in dem Entwurf sein. Dabei geht es darum, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit vermieden werden können. EU-Chef-Unterhändler Barnier erklärte am Abend in Brüssel, der Deal verhindere eine harte Grenze auf der irischen Insel.

Zeitgleich mit dem britischen Kabinett tagten in Brüssel die Botschafter der 27 verbliebenen EU-Staaten und ließen sich von der EU-Kommission über den Verhandlungsstand informieren. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sah die Brexit-Verhandlungen nach der Entscheidung in London fast am Ziel. Er sehe genügend Fortschritt, um die Verhandlungen nun zu beenden, schrieb Juncker bei Twitter.

Die Europäische Union besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.

Der nun getroffene Kompromiss sieht Berichten zufolge vor, dass Großbritannien im Notfall zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleibt. Trotzdem scheinen für Nordirland einige weitergehende Bestimmungen vorgesehen zu sein. Das dürfte vor allem die DUP auf die Barrikaden bringen, die sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands sträubt. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.

Jetzt entscheiden die verbleibenden EU-Länder

Die Regierung in London hofft offenbar auf eine sich verstärkende Dynamik, sobald der Deal erst einmal auf Regierungsebene abgesegnet sein sollte. Als nächstes müssen die Regierungschefs der 27 verbliebenen EU-Länder zustimmen, dann wäre der Weg frei für eine Abstimmung über das Abkommen im britischen Parlament.

Sollte der Kompromiss im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen – mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst würde ein solches Szenario aber wohl das Ende der Regierung May bedeuten. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum werden für diesen Fall nicht ausgeschlossen. Großbritannien wird die Staatengemeinschaft am 29. März 2019 verlassen.

„Ein ungeregelter Brexit wäre ein Desaster“

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte Großbritannien energisch vor einem ungeordneten Brexit. Der EU-Austritt sei das größte Risiko für die britische Wirtschaft, wenn auch bei weitem nicht das einzige Problem. Auch die deutsche Wirtschaft warnt vor großen Risiken. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, kommentierte: „Der Brexit wird zwar so oder so zu hohen Kosten für die Unternehmen führen, sei es wegen drohender Zölle oder zusätzlicher Brexit-Bürokratie. Ein ungeregelter Brexit wäre allerdings ein Desaster.“
 

  • „Endlich ein klares Signal von Großbritannien“

 
Das sich abzeichnende Brexit-Abkommen könnte aus Sicht der Grünen das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarkts beeinträchtigen. Wenn die Lösung sei, dass Großbritannien in der Zollunion bleibe, „dann muss die EU sicherstellen, dass ihre Standards nicht unterminiert werden“, betonte die Sprecherin für Europapolitik im Bundestag, Franziska Brantner. Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Ska Keller, sagte dem SWR, sie hoffe auf grünes Licht im Kabinett May. „Wir brauchen einen Deal, wir brauchen eine Einigung. Wenn das ein No-Deal-Szenario wäre, wäre das das schlechteste Szenario für alle.“

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