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Politik - 15.01.2019

Brandrede kurz vor Brexit-Abstimmung

++ Heute gegen 20 Uhr showdown im britischen Parlament++

Erste Abstimmungs-Klatsche für Theresa May.

Kurz vor der entscheidenden Brexit-Abstimmung im britischen Unterhaus hat die Premierministerin einen weiteren Dämpfer bekommen. Das mehrheitlich EU-freundlichen Oberhaus (House of Lords) warnte am späten Montagabend davor, dass Mays Abkommen mit der EU den Wohlstand, die innere Sicherheit und den weltweiten Einfluss des Königreichs beschädigen werde.

Zudem warnte das Oberhaus vor den Gefahren eines Brexits ohne Abkommen. Für den entsprechenden Antrag stimmten nach dreitägiger Debatte 321 Mitglieder, 152 dagegen.

Die Abstimmung im Unterhaus über die Brexit-Vereinbarung zwischen London und den 27 anderen Mitgliedstaaten ist für heute Abend geplant. Am Montag hatte Theresa May noch einmal für ihr umstrittenes Abkommen mit der EU geworben. Die Abstimmung wird heute gegen 20 Uhr (MEZ) erwartet.

  • LIVE-TICKER Brexit-Abstimmung

    Briten-Zeitung sagt Desaster für May voraus

    May-Day in Großbritannien. Im Parlament wird über den Brexit-Deal von Theresa May abgestimmt. Sollte er durchfallen, droht Chaos.

Mays Brandrede

► May versuchte es mit Engelszungen, mit einem Appell an die Abgeordneten, sich den Ausstiegsvertrag noch einmal anzusehen, den sie mit der EU ausgehandelt hat.

► May versuchte es mit Pathos: „Wenn die Geschichtsbücher geschrieben werden, werden die Leute auf die Entscheidung dieser Kammer morgen blicken und fragen: ‚Haben wir das Votum des Volkes befolgt, die Europäische Union zu verlassen? Haben wir unsere Wirtschaft, unsere Sicherheit und unsere Union beschützt? Oder haben wir das britische Volk im Stich gelassen?‘“

▶︎May warnte die Abgeordneten in ihrer Rede noch einmal nachdrücklich vor einer Ablehnung des Vertrags. Das ungeregelte Ausscheiden Großbritanniens aus der EU am 29. März hieße „keinerlei Übergangsperiode, keinerlei Garantie für die britischen Bürger im Ausland und keinerlei Sicherheit für die Unternehmen und Arbeiter“.

Sollte das Unterhaus den Brexit blockieren, wäre dies ein „Angriff auf unsere Demokratie“, fügte May hinzu. Die Regierungschefin warnte vor einem Auseinanderbrechen Großbritanniens im Fall eines Brexits ohne Abkommen. May appellierte an die Gegner des Austrittsvertrags, ihre Position zu überdenken.

Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sprangen May am Montag mit einem langen Brief zur Seite, um die Bedenken der Kritiker im Parlament auszuräumen. Die nordirisch-protestantische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, bezeichnete diese Zusicherungen jedoch als „bedeutungslos“.

Neben der DUP haben sich etwa 100 Abgeordnete aus dem Regierungslager bereits gegen das Abkommen ausgesprochen. Die Oppositionsparteien wollen geschlossen gegen Mays Deal stimmen. Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte im Fall einer Niederlage Mays ein Misstrauensvotum im Parlament an. Wann genau, ließ er offen.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok rechnet damit, dass das Brexit-Abkommen im Londoner Parlament keine Mehrheit bekommt. „Entscheidend wird aber sein, in welcher Größenordnung das Unterhaus dem Abkommen seine Zustimmung verweigert“, sagt Brok der „Rhein-Neckar-Zeitung“. Brok weiter: „Verliert Theresa May knapp, hat sie die Chance, ihren Deal zu ergänzen.“

  • EU und May für Aufschub!

    Wird der Brexit in letzter Minute veschoben?

    Ja, was denn nun? Die Europäische Union rechnet damit, dass der Brexit doch nicht wie geplant Ende März stattfindet.

Was die Brexit-Hardliner an der EU stört

Draußen tobt der Kampf um die öffentliche Meinung. Ein Grüppchen Brexit-Befürworter hat sich mit Plakaten vor der Einfahrt zum Parlament für die Abgeordneten aufgestellt. „Leave means leave“, austreten heißt austreten, steht auf dem Plakat einer Britin, die auch eine Deutsche ist – Karin (50) aus NRW. Sie hat beide Staatsbürgerschaften, aber „ich bin hier fest“, sagt sie, „und zwar seit 25 Jahren“.

Sie ist sich sicher: Die EU sei kein haltbares Konstrukt, sondern das Produkt von „Globalisten“ und Spekulanten, und auch nur sie profitierten davon. Karin will keinen europäischen Superstaat, das ist für sie Synonym von Schuldenunion und Verlust der Souveränität.

Frieren für den Exit vom Brexit

Auf der anderen Seite steht eine viel größere Gruppe von Remainern – also Menschen, die für den Verbleib Großbritanniens in der EU sind und den Brexit am liebsten abblasen wollen. Unter ihnen ist Gemma Knowles (42), die aus Regensburg angereist ist, um in der Kälte stundenlang neben den EU-Fahnen zu stehen.

Sie ist Britin, hat aber einen Deutschen geheiratet, die drei Kinder des Paares haben beide Staatsbürgerschaften. Weil sie seit mehr als 15 Jahren nicht mehr in Großbritannien lebt, durfte sie beim Brexit-Referendum gar nicht abstimmen.

Aber: „Für mich hat der Brexit Konsequenzen“, sagt sie. Sie fürchtet Einschränkungen bei der Freizügigkeit. Denn der Brexit-Deal, den Premierministerin Theresa May mit Brüssel ausgehandelt hat, sieht vor, dass EU-Bürger möglicherweise künftig ein Mindesteinkommen vorweisen müssen, wenn sie sich im Vereinigten Königreich niederlassen wollen.

„Was ist, wenn ich in zehn Jahren meine Eltern in Großbritannien pflegen muss?“ Muss sie sich dann zwischen ihrem Mann und ihren Kindern in Deutschland und ihren Eltern entscheiden? Daran zu denken, mache sie kaputt, sagt Gemma Knowles.

Marina Gerner (30) aus Frankfurt am Main ist zum Studieren nach England gekommen. Die Kultur- und Finanzjournalistin fühlt sich hier nach zwölf Jahren so heimisch, dass sie Britin werden wollte. Zwar raubt ihr der Brexit nicht den Schlaf, aber um sicherzugehen, hat sie sich dann doch damit beeilt, den britischen Pass zu holen.

Dr. Joshua Maxey (45) ist in Dortmund und Detmold aufgewachsen, ist halb Amerikaner, hat aber nur den deutschen Pass. Obwohl er seit 1987 in Großbritannien lebt, durfte er beim Referendum also nicht mitbestimmen. Der Finanz-Unternehmensberater fürchtet, dass in seiner Branche hochqualifizierte Fachkräfte aus Europa ausbleiben und gute Arbeitsplätze unbesetzt bleiben, weil Europäer es sich zweimal überlegen, nach London zu kommen, wenn sie sich unerwünscht fühlen.

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