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Politik - 21.03.2019

1000 Tage Brexit-Chaos!

Am 23. Juni 2016 haben die Briten für den EU-Austritt gestimmt

Heute, genau vor 1000 Tagen, gab’s den großen Brexit-Knall! In einem Referendum stimmten 51,9 Prozent der Wähler FÜR und 48, 1 Prozent GEGEN den Austritt aus der Europäischen Union.

Seit diesem knappen Ergebnis wird verhandelt, getagt, gerungen, gekämpft. Noch nie hat ein Land das Staatenbündnis verlassen, einen Präzedenzfall gibt es nicht.

Neun Tage vor dem offiziellen Austrittsdatum am 29. März gibt es noch immer keine Lösung. Die Nerven liegen blank. „1000 verschenkte Tage“ titelte die „Daily Mail“ und machte ihrem Ärger über die eigenen, „inkompetenten“ Politiker Luft.

Immerhin: EU-Ratschef Donald Tusk hält nach Rücksprache mit anderen europäischen Politikern eine «kurze Verschiebung» des Brexits für möglich, falls das britische Parlament den Austrittsvertrag annimmt. Dies sagte Tusk am Mittwochnachmittag in Brüssel.

Er habe vorher nicht gewusst, wie lang sein Geduldsfaden sei, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch im „Deutschlandfunk“. In Großbritannien gebe es „keine Mehrheit für nichts“, beklagte er. Die Hoffnung auf eine schnelle Einigung hat er aufgegeben: „Meine Einschätzung heute Morgen ist, dass wir diese Woche nicht zu Potte kommen.“

Auch bei der EU ist einiges liegengeblieben angesichts des immer währenden Brexit-Dramas. Dazu sagte der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff: „Die Welt besteht nicht nur aus London und Brüssel. Es gibt so viel zu tun: Digitalisierung, Klimaschutz und Finanzpolitik müssen volle Aufmerksamkeit bekommen. Und wie gehen wir mit Putin, Erdogan und Afrika um? Das ist alles wichtig, aber vom Brexit überschattet worden.“

Wie konnte all das soweit kommen?

► Prof. Thomas Jäger, Experte für Außenpolitik und internationale Beziehung an der Uni Köln, sagte im Gespräch mit BILD: „Großbritannien hat völlig unterschätzt, welche Herausforderung der Abschied von der EU bedeutet.“ Die Vielzahl der anstehenden Vereinbarungen seien zum Beispiel nicht richtig eingeschätzt worden, hinzu seien echte Knackpunkte wie die Grenze zu Irland gekommen.

Jäger fasste zusammen: „Zu viele Fragen, zu schwierige Probleme und zu wenig Kompetenz haben die Briten in diese Lage geführt. Dazu kam dann noch die Tatsache, dass jeder sein eigenes politisches Süppchen auf der Brexit-Flamme kochen wollte. Wohin das führt, sehen wir gerade, zum Brexitus.“

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Rückblick: Wie das Brexit-Chaos begann

Seit der historischen Entscheidung vom 23. Juni 2016 sind die Briten vor allem mit einem beschäftigt – mit sich selbst. Stück für Stück schlitterten sie weiter in ein Chaos, das kein Ende kennt. Und blickt man zurück, so wird klar: Immer dann, wenn man dachte, es könnte nicht noch schlimmer werden, wurde es schlimmer.

► Kurz nach dem Referendum tritt Premierminister David Cameron im Juli 2016 zurück. Er war es, der das Referendum auf den Weg brachte, obwohl er gegen den Austritt war – um seine eigene, innenpolitische Position zu stärken und Brexit-Befürwortern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Genutzt hat es ihm nichts!

► Nach Camerons krachender Niederlage beim Referendum übernimmt seine Innenministerin Theresa May die Regierungsgeschäfte.

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► Bis Januar 2017 ist den Briten NICHT klar, wer den Austrittsantrag überhaupt stellen kann. Das oberste Gericht in Großbritannien entscheidet schließlich, dass nur das Parlament in einem Gesetzgebungsverfahren (und nicht die Regierung allein) den im EU-Vertrag vorgesehenen Mechanismus zum EU-Austritt auslösen darf.

► Das geschieht am 23. März 2017: Das britische Unterhaus verabschiedet mit großer Mehrheit das Brexit-Gesetz. Eine Woche später informiert May Brüssel offiziell über den Austritt ihres Landes aus der Staatengemeinschaft nach Artikel 50 des EU-Vertrags.

Die zweijährige Austrittsfrist beginnt!

► Eigentlich könnten JETZT die Verhandlungen beginnen, nur: May ruft im April überraschend Neuwahlen aus – und es wird noch schlimmer. Im Juni verlieren die Konservativen die absolute Mehrheit, Koalitionsverhandlungen beginnen. May zimmert mithilfe der nordirisch-protestantischen DUP eine Minderheitsregierung und rettet so ihr Amt.

► Erst am 19. Juni 2017, also knapp ein Jahr nach dem Referendum, beginnen die Brexit-Verhandlungen. Zunächst sollen drei große Themen geklärt werden: die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU, finanzielle Verpflichtungen Londons und die Frage, wie eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland garantiert werden kann.

► Im November 2017 geben die EU und Großbritannien einen Zwischenstand. Während die Fragen nach den Bürgerrechten und dem Geld weitgehend geklärt sind, kristallisiert sich die irische Grenze als kniffligstes Problem heraus.

► Im Juli 2018 präsentiert die Regierungschefin May ihrem Kabinett einen Plan für die künftigen Beziehungen zur EU. Wenige Tage später treten Brexit-Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson aus Protest zurück. Auch Brüssel lehnt den Plan ab.

► Im November 2018 billigt das britische Kabinett den mit Brüssel ausgehandelten Entwurf eines Austrittsabkommens – und wieder treten mehrere Regierungsmitglieder zurück, u.a. der neue Brexit-Minister Dominic Raab. Die Staats- und Regierungschefs der 27 bleibenden EU-Mitglieder billigen das Brexit-Vertragspaket.

► Aber: Die Briten müssen über den Vertrag noch abstimmen. Doch weil May eine Klatsche befürchtet, sagt sie das Votum am 10. Dezember 2018 ab. Stattdessen kommt es am 12. Dezember zu einer Misstrauensabstimmung, die May übersteht. Sie bleibt Partei- und Regierungschefin.

▶︎ Januar 2019: Das britische Parlament schmettert den Brexit-Deal mit überwältigender Mehrheit ab. Einen Tag später zettelt die Oppositionspartei Larbour NOCH einen Misstrauensantrag gegen Mays Regierung an, scheitert aber. Das Parlament gibt May mit knapper Mehrheit ein Mandat dafür, die schwierige Irland-Frage nachzuverhandeln. Brüssel schließt das aus.

▶︎ 7. Februar: May und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vereinbaren in Brüssel neue Gespräche, um ein drohendes Brexit-Chaos Ende März doch noch abzuwenden.

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▶︎ 26. Februar: May bietet dem Parlament an, über einen Austritt ohne Abkommen (No-Deal-Brexit) und eine Brexit-Verschiebung abstimmen zu lassen, sollte ihr Abkommen am 12. März erneut scheitern.

▶ 12. März: Das britische Unterhaus stimmt gegen das von May ausgehandelte Brexit-Abkommen mit der EU.︎

▶︎ 13. März: Das britische Parlament entscheidet: Es möchte keinen ungeordneten Brexit.

▶︎ May will den am 12. März abgeschmetterten Vertrag noch einmal zur Wahl stellen. Medien berichten, dass dies in der Woche vom 25. März, also kurz vor Ablauf der Austrittsfrist, geschehen soll.

▶︎ 18. März: Parlamentssprecher John Bercow macht May einen Strich durch die Rechnung! Er beruft sich auf eine Regelung aus dem Jahr 1604, wonach das Unterhaus nicht zweimal über denselben Antrag abstimmen darf.

▶︎ 19. März: Krisensitzung der Regierung!

▶︎ 20. März: Premierministerin May bittet EU-Ratspräsident Tusk, das Austrittsdatum auf den 30. Juni zu verschieben. Die EU-Kommission will aber maximal bis zum 23. Mai verlängern, da Großbritannien andernfalls eigentlich an der Europawahl (23.-26. Mai) teilnehmen müsste, was weder Brüssel noch London wollen.

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