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Deutschland - 19.02.2019

Rücknahme von ehemaligen „IS“-Kämpfern – Reul: „Daran führt kein Weg vorbei“

Donald Trump: Europa soll gefangene IS-Kämpfer aufnehmen

US-Präsident Donald Trump fordert mehrere europäische Staaten dazu auf, gefangen genommene Kämpfer der IS-Terrormiliz aufzunehmen. (Quelle: t-online.de)

Donald Trump: Auch der US-Präsident fordert von Deutschland und anderen europäischen Staaten, gefangene IS-Kämpfer aufzunehmen. (Quelle: t-online.de)


Trumps jüngste Forderung an die EU sorgt für Gesprächsstoff: Außenminister Maas sieht massive Probleme bei einer Rücknahme von „IS“-Kämpfern. Das sagen andere Politiker zu dem Thema.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, ehemalige Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) wieder nach Deutschland zurückzuholen. „Wenn diese ehemaligen IS-Kämpfer deutsche Staatsbürger sind, haben wir ohnehin keine Wahl: Wenn sie reinwollen, müssen wir sie auch reinlassen“, sagte Reul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Aus rechtlicher Sicht gebe es da keine Alternative, erklärte Reul. „Dann aber ist es doch viel besser, wir holen sie kontrolliert und überwacht zurück“, sagte er. „Und wenn sie hier sind, werden wir sie, wann immer möglich, sofort in Untersuchungshaft nehmen. Und da, wo die Beweise nicht ausreichen, werden wir sie überwachen und ihnen gleichzeitig ein Angebot zum Ausstieg unterbreiten.“

Es geht um mehr als 800 Personen

US-Präsident Donald Trump hatte europäische Länder wie Deutschland via Twitter dazu aufgerufen, mehr als 800 in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Falls die Verbündeten nicht reagierten, seien die USA gezwungen, die Kämpfer auf freien Fuß zu setzen. Diese sind allerdings nicht in US-Gewahrsam, sondern in der Gewalt kurdischer Kräfte.

Die Bundesregierung befindet sich darüber mit den USA und europäischen Partnern wie Frankreich und Großbritannien im Gespräch, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag sagte. Die IS-Anhänger haben demnach das Recht auf eine Rückkehr nach Deutschland, wenn sie deutsche Staatsbürger sind.

Herbert Reul: Der Innenminister von NRW hat sich zu Trumps Forderung, die EU solle IS-Kämpfer aus Syrien zurücknehmen, geäußert. (Quelle: imago)

Dem „Spiegel“ sagte Reul, eine solche Rückkehr von Extremisten, „die unserer Gesellschaftsordnung und unserem Wertesystem den Kampf angesagt haben“, sei möglicherweise politisch schwer zu vermitteln. Es führe aber kein Weg daran vorbei.

Frauen und Kinder zuerst?

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster hat sich dafür ausgesprochen, Frauen und Kinder zuerst zurückkehren zu lassen. Er sehe es als „humanitäre Verpflichtung“ an, Frauen und Kinder, „zuvorderst aufzunehmen und, wo nötig, psychologische Hilfestellung zu leisten“, sagte Schuster der „Saarbrücker Zeitung“. Dies gelte besonders, wenn diese nicht selbst gekämpft hätten.

Schuster forderte, vor der Einreise von ehemaligen IS-Kämpfern deren Strafverfolgung sicherzustellen. Ansonsten wäre eine Wiedereinreise „unverantwortlich“, sagte der CDU-Politiker.

Das Gefahrenpotenzial sei im Einzelfall durchaus hoch. „Wir haben es mit radikalisierten Menschen zu tun, deren Kriegserfahrungen nicht ohne psychologische Folgen bleiben können“, warnte Schuster. „Deshalb ist Vorsicht angesagt.“

Maas nennt Situation „extrem schwierig“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Montag, solche Extremisten dürften nur dann nach Deutschland kommen, wenn sie hierzulande unmittelbar in Gewahrsam genommen werden können. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte im „Bild“-Interview, eine Strafverfolgung müsse unbedingt gewährleistet sein. Die Situation sei nun „extrem schwierig“.

Maas sagte, so einfach, „wie man sich das in Amerika vorstellt“, sei es nicht. Deswegen werde man nun mit den Vereinigten Staaten reden. Zwar hätten deutsche Staatsbürger das Anrecht auf Wiedereinreise. Allerdings habe man „im Moment wenig Möglichkeit, in Syrien zu überprüfen, ob tatsächlich deutsche Staatsangehörige betroffen sind“, sagte er in Brüssel.

Zahl der Gefangenen steigt

Gegen die von syrischen Kurden gefangenen IS-Kämpfer aus Deutschland liegen bisher nur in wenigen Fällen belastbare juristische Vorwürfe vor. Insgesamt gibt es eine größere zweistellige Zahl von „Männern, Frauen und Kindern aus Deutschland“ in Gewahrsam kurdischer Kräfte, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte. Nur gegen sehr wenige dieser Personen lägen Haftbefehle vor. Gegen eine weitere, ähnlich kleine Gruppe, liefen derzeit Ermittlungsverfahren.

Ein hochrangiger Vertreter der syrischen Kurden, Abdulkarim Omar, nannte die Gefangenen eine große Bürde. Ihre Zahl steige schnell. Die syrischen Kurden verlangen ebenfalls, dass die „IS“-Angehörigen schnell in ihre Heimatländer zurückkehren. Deutschland pflegt Kontakte zu den Kurden im Norden Syriens, hat aber die diplomatischen Beziehungen zur Regierung in Damaskus abgebrochen.

Etwa 1.050 Deutsche seit 2013 ausgereist

Truppen unter kurdischer Führung hatten in den vergangenen Monaten große Teile des früheren Herrschaftsgebietes der Terrormiliz IS in Syrien unter Kontrolle gebracht. Derzeit gehen sie gegen die letzte IS-Bastion im Osten des Bürgerkriegslandes vor. Dort sollen sich auch noch Ausländer verschanzen. Allerdings sollen auch Hunderte IS-Anhänger in den Irak geflohen sein.

Nach Kenntnis der deutschen Sicherheitsbehörden sind seit 2013 etwa 1.050 Menschen aus Deutschland in Richtung des Kriegsgebiets in Syrien und in den Irak ausgereist, um sich dort an der Seite von terroristischen Gruppen am Dschihad zu beteiligen.

IS-Anhänger wollen zurückreisen

Mehrere ausländische IS-Anhängerinnen haben darum gebeten, in ihre Heimatländer zurückreisen zu dürfen. Die 24 Jahre alte Hoda Muthana aus dem US-Bundesstaat Alabama sagte dem britischen „Guardian“, ihre Entscheidung, sich dem IS anzuschließen, sei ein großer Fehler gewesen. Sie sei online radikalisiert worden und bereue nun ihre Entscheidung. „Ich dachte, ich hätte für Gott das Richtige getan.“

Auch mehrere IS-Frauen aus Deutschland hatten in einem ZDF-Beitrag aus einem Flüchtlingslager angegeben, sie wollten zurück nach Hause. „Es ist meine Schuld, dass ich hierhin gekommen bin, dass ich so dumm und naiv war“, sagte Hadisha aus Köln, deren Nachnamen nicht genannt wurde, dem ZDF. „Ich sehe mich einfach nicht als intelligent, jemand, der so leichtgläubig ist und einfach hierhin kommt.“

Grüne unterstützen Trumps Forderung

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der dpa in München: „IS-Rückkehrer mit Kampferfahrung aus Syrien und dem Irak sind potenziell hochgefährlich. Es gibt auch keinen Grund für überzogene Eile, wie es der US-Präsident suggeriert.“ Die Personen säßen derzeit in Syrien in Haft. „Wichtig ist, jeden Einzelfall sorgfältig zu prüfen.“

Die Grünen unterstützen dagegen Trumps Forderung. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Bundesrepublik sollte ein Interesse haben, dass deutsche Staatsbürger für schwerste Straftaten zur Verantwortung gezogen werden. „Ein zweites Guantanamo muss verhindert werden, aus rechtsstaatlicher Verantwortung, aber auch, damit die Region befriedet wird.“

Reaktionen aus Europa

Aus Österreich erntete der US-Präsident für seine Idee hingegen Kritik. „Diese Ankündigung von Trump kann ich nicht nachvollziehen“, sagte Außenministerin Karin Kneissl in Brüssel. Es könne in niemandes Interesse sein, Kämpfer freizulassen, die zuvor unter großem Risiko von der internationalen Anti-IS-Allianz und den kurdischen Kämpfern gefangen genommen wurden.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die USA allgemein vor einem völligen Bruch mit Europa. In einer Partnerschaft könne es keine „Befehlsgeber und Befehlsempfänger“ geben, sagte Asselborn am Montag. „Sonst zerbricht die Partnerschaft.“

Syrische Kurden fordern UN-Sondergerichte

Syriens Kurden haben derweil die Vereinten Nationen aufgerufen, in dem Bürgerkriegsland internationale Sondergerichte für inhaftierte IS-Kämpfer einzurichten. Die Heimatländer der Dschihadisten hätten bisher nicht auf die Forderung der Kurden reagiert, die IS-Anhänger zurückzuholen, sagte der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, der Deutschen Presse-Agentur. Im Norden Syriens gebe es nicht die Möglichkeit, die Terroristen juristisch zu verfolgen. Prozesse unter dem Dach der UN könnten hingegen eine Lösung sein, die alle zufrieden stelle.

Dem SDF-Sprecher zufolge haben die SDF bisher rund 1.300 ausländische IS-Kämpfer gefangen genommen, Iraker ausgenommen. Einige seien während der Kämpfe gefasst worden, andere hätten sich gestellt. Die IS-Anhänger sitzen in Lagern im Norden Syriens. Aus SDF-Kreisen hieß es, die meisten stammten aus Saudi-Arabien.

Die von den Kurden angeführten SDF-Truppen gehen derzeit im Osten Syriens gegen die letzte IS-Bastion in dem Bürgerkriegsland vor und haben die Dschihadisten in dem Ort Baghus auf engstem Raum eingekreist. Die Zahl der dort verschanzten IS-Kämpfer schätzte Bali auf rund 500. Viele von ihnen sollen Ausländer sein.

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